64 VI. Das alte Rom,
ausgesetzt zu fein, beantragte einer der Tribüne« die Abfassung
geschriebener Gesetze. Lange sträubten sich die Patrizier; endlich
aber wurden Gesandte nach Griechenland geschickt, um die dor-
tigeu Gesetze zu prüfen. Nach ihrer Rückkehr übertrug man die
Aufstellung des neuen Gesetzbuches zehu Männern, welche während
der Dauer ihres Auftrages mit unumschränkter Gewalt ausgerüstet
wurden. Die Mitglieder der neuen Behörde führten den Namen
451 Decemvirn (Zehnmänner). Nach Verlauf eiues Jahres hatten sie
eine Reihe von Gesetzen gesammelt, welche, auf zehn eherne Tafeln
geschrieben, vor dem Rathause aufgestellt wurden. Da noch einige
Gesetze festzustellen waren, so wurden noch einmal Decemvirn er-
nannt, welche noch zwei Tafeln hinzufügten. Doch jetzt fingen sie
an, ihre wichtige Stellung zu benutzen, um die verachteten Plebejer
von neuem zu knechten. Mit Kerker und Henkerbeil wüteten sie
gegen alle Widersacher; durch Gewalt und Schrecken hofften sie das
Volk unter ihr Joch zu beugen. Als nun gar einer der Decemvirn,
Appius Claudius, die schöne Virginia, die Tochter des angesehenen
Plebejers Virginius, durch einen ungerechten Richtersprnch in seine
Gewalt zu bringen suchte, wurde das Maß voll. Virginius stieß
seiner Tochter ein Messer ins Herz, und das Volk verlangte drohend
die Abdankung der Zehnmänner. Der Senat zögerte. Da machte
das Volk Miene, zum zweiten Male nach dem Heiligen Berge zu
ziehen, und man gab nach. Appius Claudius wurde unter An-
klage gestellt, gab sich aber im Gefängnisse den Tod.
4. Die Gallier in Rom.
Nachdem die meisten der umwohnenden Völkerschaften bezwungen
worden, erklärte Rom der alten Etrnskerstadt Veji den Krieg. Nach
langer Belagerung gelang es dem Diktator Furius Camillus die
396 feste Stadt einzunehmen. Dem Sieger verstattete man in Rom
einen prächtigen Triumphzug. Doch er genoß seinen Ruhm nicht
lange. Wegen ungerechter Verteilung der Beute angeklagt, mußte
er in die Verbannung ziehen; da flehte er die Götter an, eine Zeit
kommen zn lassen, in der seine Mitbürger seiner bedürften. Sein
Wunsch sollte bald in Erfüllung gehen.
Um dieselbe Zeit, als die Römer durch Eroberung Vejis im
südlichen Etrnrien festen Fuß faßten, drangen im nördlichen Teile
des Landes die in der Poebene hausenden Gallier ein und belagerten
Clnsinm. Diese Gallier waren ein Teil der großen keltischen
Nation, die sich in den ältesten Zeiten über den Norden Europas
verbreitete. Mehr dem Hirtenleben als dem Ackerbau zugetan,
nnd kriegerische Abenteuer, Raub und Beutezüge dem friedlichen