Full text: Neuere Zeit vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Bd. 2)

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wurde, und schnell würde man auch zu den Schwertern gegriffen 
haben, wenn nicht das Ansehen des Herzogs Otto von Bayern, der 
sich der Sache des Abtes annahm, dazwischen getreten wäre. Die 
Veranlassung aber war diese. Es war Brauch im Reiche und früher 
durch viele Menschenalter hindurch beobachtet, daß immer bei den 
Versammlungen der Bischöfe der Abt von Fulda dem Erzbischof 
von Mainz am nächsten saß. Allein der Bischof berief sich darauf, 
daß innerhalb seines Sprengels niemand nach dem Erzbischof ihm 
vorgezogen werden dürfe, hierzu ermutigt teils durch den Ruhm 
des Reichtums, woran er feine Vorgänger weit übertraf, teils durch 
die Gunst der Umstände, weil während der Unmündigkeit des Königs 
ein jeder ungestraft tun konnte, was ihm sein Sinn nur eingab . . . 
Der König feierte Pfingsten zu Goslar. Als dort zum Abend¬ 
gottesdienst der König und die Bischöfe versammelt waren, entstand 
wieder ein Aufruhr über die Aufstellung der bischöflichen Stühle, 
nicht wie früher durch zufälligen Zusammenstoß, sondern durch einen 
lange vorbedachten Anschlag. Denn der Bischof von Hildenesheim, 
eingedenk der vorher ihm zugefügten Schmach, hatte den Grafen 
Ecbert mit streitfertigen Rittern hinter dem Altare verborgen. Als 
diese den Lärm der tobenden Kämmerer hören, eilen sie schnell 
herbei und schlagen von den Fuldischeu einige mit Fäusten, andere 
mit Stöcken, werfen sie zu Boden und vertreiben die über die un¬ 
vermutete Gefahr Bestürzten mit leichter Mühe aus dem Heiligtum 
der Kirche. Sogleich rufen diese zu den Waffen; die Fuldischeu, 
so viele ihrer Waffen in Bereitschaft hatten, scharen sich zusammen, 
dringen in die Kirche, und inmitten des Chors und der Psalmen singen¬ 
den Brüder werden sie handgemein; man kämpft nicht mehr mit 
Knitteln, sondern mit Schwertern. Ein blutiges Treffen entspinnt 
sich, und durch die ganze Kirche hört man anstatt der Loblieder und 
geistlichen Gesänge das Geschrei der zum Kampfe Aufmunternden 
und das Wehklagen der Sterbenden. Auf den Altären Gottes 
werden jammervolle Schlachtopfer gewürgt, und hier und dort 
rinnen durch die Kirche Ströme von Blut, nicht wie vor Zeiten - 
durch gesetzlichen Gottesdienst, sondern durch feindliche Grausamkeit 
vergossen. Der Bischof von Hildenesheim nimmt einen höheren 
Standpunkt ein und ermahnt wie mit einer Kriegstrompete die 
©einigen, tapfer zu fechten; damit sie sich nicht dnrch die Heiligkeit 
des Orts vom Gebrauche der Waffen abschrecken lassen sollen, schützt 
er sein Ansehen und seine Erlaubnis vor. Aus beiden Seiten werden 
viele verwundet, viele getötet. Die vornehmsten darunter sind Re- 
ginboto, fuldischer Bannerträger, und Bero, ein dem Grafen Ecbert 
sehr teurer Ritter. Der König läßt währenddem seine Stimme 
erschallen und beschwört das Volk mit Berufung auf die königliche
	        
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