§ 71. Kaiser Leopold I. und die Zeit der großen Türkenkriege. 13
a) Die Türken vor Wien 1683. Der Großvezier Kara Mustafa
rückte mit einer Heerschar von nahezu 200000 Mann aus Ungarn vor.
Das kaiserliche Heer (unter Karl von Lothringen) zog sich bis hinter
Wien zurück; auch der Kaiser flüchtete westwärts (nach Linz und Passau),
um die Hilfe der Nachbarstaaten auszurufen. Inzwischen hatte Wien
(seit 14. Juli) eilte grimmige Belagerung auszustehen: acht Wochen lang
wurde die bedrängte Stadt von ihrem wackeren Kommandanten, dem
Grafen Rüdiger von Starhemberg, unter Beihilfe der gesamten Stadt¬
bevölkerung heldenmütig verteidigt Endlich, als die Not schon aufs
höchste gestiegen war, kam das sehnlich erwartete Entsatzheer an und
schlug nach heißem Ringen die Türken in völlige Flucht (12. Sept.);
das Lager der Feinde mit reicher Beute fiel in die Hände der Sieger.
Der Polenkönig Johann Sobieski vor allen, neben ihm auch Karl von
Lothringen, Max Emanuel von Bayern, Ludwig von Baden und Johann
Georg von Sachsen waren die Helden, denen Kaiser und Reich die
Rettung Wiens verdankten.
b) Zurückgewinnuug von Wngarn 1683—1686. Noch 1683
wurde Oberungarn (bis Gran) dem Kaiser zurückgewonnen. Während-
der zwei nächsten Jahre beeinträchtigten die Verhandlungen über
Ludwigs „Reunionen" und über die pfälzische Erbfolge eine wirksame
Fortführung des Türkenkrieges. Große Erfolge aber stellten sich seit
1686 ein: Karl von Lothringen als Führer des Reichsheeres, dem sich
nunmehr auch eine Truppe brandenburgischen Kriegsvolkes angeschlossen
hatte, eroberte Ofen-Pest und brachte ganz Niederungarn in seine Gewalt.
Darauf übertrug ein ungarischer Reichstag zu Preßburg den Habsburgern
neuerdings die erbliche Thronfolge für das gesamte Ungarn (1687).
c) Eroberung von Wesgrad 1688. Auch nach Siebenbürgen
und Serbien rückten die verbündeten Deutschen ein. Die glänzendste
Waffentat des Jahres 1688 war die Eroberung der Festung Belgrad
durch den Kurfürsten Max Emanuel, der todesmutig selber den Ansturm
geleitet hatte (6. Sept.); eine große Zahl gefangener Türken und aus¬
erlesene Beute schickte der Sieger nach seiner bayerischen Hauptstadt.
d) Vollendung des Krieges durch Wrinz Eugen 1699. Nach
der Einnahme Belgrads beeilte sich Ludwig XIV. den österreichischen
Siegen Einhalt zu tun, indem er plötzlich einen greuelvollen Raubkrieg
gegen die Pfalz eröffnete (vgl. Abs. 5). Erst nachdem dieser Krieg sein
Ende erreicht hatte, konnte der Kaiser wieder nachdrucksvoller gegen
die Türken vorgehen. Den Oberbefehl führte jetzt Prinz Engen (von
Savoyen), der schon an der Befreiung Wiens mit teilgenommen hatte.