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Allen Unterthanen ist es erlaubt, sich ohne vorgängige obrigkeit¬ 
liche Erlaubnis friedlich nnd ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu 
versammeln. Auch haben sie das Recht, sich zu solchen Zwecken, die 
den Staatsgesetzen nicht zuwiderlaufen, in Gesellschaften zu vereinigen. 
Vereine aber, welche politische Zwecke verfolgen, können durch Gesetze 
beschränkt oder verboten werden. So wurden z. B. durch das Sozia¬ 
listengesetz, das bis zum Herbst 1890 giltig war, Vereine, Versamm¬ 
lungen und Druckschriften verboten, welche durch sozialdemokratische 
Bestrebungen den Umsturz der bestehenden Staats- nnd Gesellschafts¬ 
ordnung bezweckten. 
Die Person des Königs ist unverletzlich; jedes Vergehen gegen 
dieselbe wird als Majestätsbeleidigung oder als Majestätsverbrechen hart 
bestraft. Alle Regierungshandlungen des Königs müssen von einem Mi¬ 
nister unterzeichnet sein, wenn sie Gültigkeit haben sollen. Dieser Mi- 
nister übernimmt damit die Verantwortung für die betreffende Handlung. 
Dem Könige allein steht die vollziehende Gewalt zu. Er ernennt und ent¬ 
läßt die Minister. Die Gesetze werden von ihm verkündigt, auch erläßt er 
die zu deren Ausführung nötigen Verordnungen. Er führt auch den 
Oberbefehl über das Heer. Alle Stellen im Heere und in den übrigen 
Zweigen des Staatsdienstes werden von ihm besetzt, sofern nicht das 
Gesetz ein anderes vorschreibt. Der König hat das Recht der Begna¬ 
digung und Strafmilderung. Ihm steht die Verleihung von Orden 
und anderen mit Vorrechten nicht verbundenen Auszeichnungen zu. 
Der höchste preußische Orden ist der Orden des Schwarzen Adlers mit 
der Inschrift Suum cuique, d. h. jedem das Seine. Das soll be¬ 
deuten, daß der König die Gerechtigkeit für die höchste Tugend eines 
Herrschers hält. Die beiden Häuser des Landtages werden vom Könige 
berufen; das Abgeordnetenhaus kann auch durch ihn aufgelöst werden. 
Den Königlichen Hansgesetzen gemäß ist die Krone erblich in dem 
Mannesstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der Erstgeburt 
und der blntsverwandtschaftlichen Linealfolge. In Gegenwart der ver¬ 
einigten Häuser des Landtages leistet der König das eidliche Gelöbnis, 
die Verfassung des Königreiches fest nnd unverbrüchlich zu halten nnd 
in Übereinstimmung mit derselben und den Gesetzen zu regieren. 
Die obersten Beamten des Königs heißen Minister. An der Spitze 
des Staatsministeriums steht ein Ministerpräsident. Die einzelnen 
Ministerien haben wir bereits kennen gelernt. 
In Gemeinschaft mit dem Könige üben die beiden Häuser des 
Landtages die gesetzgebende Getvalt aus. Die Entwürfe der Gesetze 
über das Geldwesen und die Voranschläge über Einnahmen und Aus¬ 
gaben des Staates werden zuerst dem Abgeordnetenhause vorgelegt. 
Das Herrenhaus kann dieselben im ganzen annehmen oder ablehnen. 
Das Hans der Abgeordneten besteht ans 433 Mitgliedern, die vom 
Volke gewählt werden. Die Wahlbezirke werden durch das Gesetz 
festgestellt. Jeder Preuße, der in der Gemeinde, in welcher er seinen 
Wohnsitz hat, die Befähigung zu den Gemeindewahlen besitzt, ist 
nach zurückgelegtem 24. Lebensjahre stimmberechtigter Urwähler. Auf 
jede Vollzahl von 250 Seelen der Bevölkerung ist ein Wahlmann zu
	        
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