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seinen ersten Reichstag zu Worms ab. Hier sollte auch Luthers
Sache entschieden werden. Der Reformator war auch bereit, seine
Lehre vor Kaiser und Reich zu verteidigen. Nachdem er von
Karl V. freies Geleit zugesagt erhalten hatte, machte er sich mit
mehreren Freunden auf den Weg. Man warnte ihn und meinte,
er würde verbrannt werden. Luther antwortete jedoch mutig:
„Wenn sie ein Feuer machten, das zwischen Wittenberg und
Worms bis gen Himmel reichte, so will ich im Namen des Herrn
erscheinen und Christum bekennen und denselben walten lassen!"
Auf eine andere Warnung gab er die Antwort: „Und wenn in
Worms so viel Teufel wären als Ziegel auf den Dächern, so
wollte ich doch hinein!" Am Morgen des 16. April war das
Ziel der Reise erreicht. Sie hatte einem Triumphzuge geglichen;
denn von fern und nah waren die Menschen gekommen, um den
kühnen Mann zu sehen. Bei der Einfahrt in Worms konnte
sich der Wagen nur langsam einen Weg durch die Menge bahnen;
selbst auf Dächern und Mauern hatten die Leute Platz gesucht. —
Am nächsten Tage wurde Luther vor die Reichsversammlung ge-
laden. Das Gedränge in den Straßen war so groß, daß an ein
Durchkommen nicht zu denken war. Durch Gärten und Gassen
gelangte der Reformator endlich nach dem Sitzungssaale. Nach
wenigen Minuten öffnete sich die Tür. Luther überschritt die
Schwelle und stand unter den Fürsten des Reiches. Der Glanz
blendete ihn; er wurde befangen und bat sich auf die Frage, ob
er seine Lehre widerrufen wolle, einen Tag Bedenkzeit aus. Am
18. April stand er wieder vor den versammelten Kurfürsten, Fürsten,
Grafen, Bischöfen und Erzbifchöfen. Diesmal war die Angstlich-
keit verschwunden; frei und offen schweifte sein Blick über seine
Zuhörer, und mit lauter und kräftiger Stimme wies er in längerer
Rede die Richtigkeit seiner Lehre aus der Bibel nach. Er betonte,
daß er sich nur durch Zeugnisse aus der Heiligen Schrift über-
winden lasse, und schloß mit den Worten: „Hier stehe ich, ich
kann nicht anders, Gott helfe mir. Amen!" Damit war Luthers
Sache vor dem Reichstage entschieden. Der Kaiser hielt sein
Wort und ließ den Reformator unter sicherem Geleite abreisen.
Aber nach vier Wochen sprach er über ihn die Reich sacht aus,
so daß jeder das Recht hatte, ihn zu fangen und zu töten.
Kurfürst Friedrich der Weise hatte jedoch seinen Schützling
schon in Sicherheit bringen lassen. Als Luther nämlich auf seiner
Rückreise durch den Thüringer Wald fuhr, wurde er plötzlich von
verkappten Rittern überfallen, aus dem Wagen gerissen und auf
die Wartburg gebracht. Hier lebte er als „Junker Jörg", trug
ritterliche Kleidung, ging auch zuweilen auf die Jagd und über-
setzte das Neue Testament in die deutsche Sprache. Er schrieb
einfach, klar und volkstümlich, so daß auch der einfachste Mann
nun selber lesen und suchen konnte. Die Übertragung der ganzen