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büschel das tief hinziehende Schneegewölk. In dem Glutlichte
duckt sich die dunkle Gestalt des Heizers etwa zehnmal hin und
her, jedesmal auf dem Tender die mächtige Kohlenschaufel fül¬
lend und sie in die Feuerung ausstürzend. Er hat etwa zwei
Zentner neues Brennmaterial in die weißglühende Masse gewor¬
fen und eine prachtvolle Funkenmasse entströmt dem Schorn¬
steine, dessen gewaltiger Zug die leichteren Teile des frisch auf¬
geworfenen Brennstoffs rasch entzündet und als zischende Funken
in den Schneesturm hinausschleudert.
,,Da ist Wolfsberg,“ sagt der Führer nach einiger Zeit, als die
roten und weißen Lichter einer Station vor ihm aufzuschimmern
beginnen. Er pfeift und gleich darauf poltert der Zug unter das
überhängende Dach des Bahnsteigs. Eilends umschreitet er hier
seine Lokomotive, ihre dicht mit Schneeschlickern bedeckten Teile
prüfend beleuchtend. Da ruft der unter der Maschine mit dem
Ausharken der Schlacken aus dem Roste der Feuerung beschäf¬
tigte Stationsheizer: ,,Herr Zimmermann, der Rost des ,,Greif“
ist so dick verschlackt, daß ich nicht durchkomme in den vier
Minuten Aufenthalt.“ Rasch springt der Führer in die Schür¬
grube hinab, packt die schwere Feuerkrücke mit und stößt sie an¬
gestrengt und hastig in die Feuermasse des Rostes, bis das Feuer
wieder in vollkommen regelrechtem Zustande ist. Nach wenigen
Minuten steigt er keuchend und schweißtriefend aus der Grube
auf die Lokomotive. „Pfeifen!“ und hinaus geht es wieder in die
eiskalte Schneesturmnacht, die mit 15 Grad kalter, schneidender
Zugluft die schweißgetränkten Haare in wenig Sekunden in
starre Eisnadeln verwandelt hat.
Vorwärts! Vorwärts!
Der Sturm hat aufgefrischt Er jagt von den großen Flä¬
chen der Dammböschungen den staubartigen, kalten Schnee
empor, der auf der Fläche der Bahn wie in wilden Wogen dahin-
jagt, deren Brandungen an die eilende Maschine anschlagen und,
hoch über ihren Schornstein hinwirbelnd, die stillen Männer mit
immer neuen Fluten von stechenden Eisnadeln überströmen oder
sich an windstillen Orren heimtückisch zu lockeren Windwehen
zusammenlagern. Im voraneilenden Lichte der Lokomotivlater-
nen prallen diese plötzlich wie weiße, auf der Bahn liegende
Mauern gespenstisch aus der Nacht empor, bäumen sich vor der
wild durchbrechenden Lokomotive hoch auf, diese mit solchen
Schneemassen überschüttend, daß die Männer sich am Geländer
festhalten müssen, um nicht durch ihren wuchtigen Schlag herab¬
geschleudert zu werden.
Nach und nach behängt sich die Maschine mit schweren Eis¬
zapfen ; dicke Eisbuckel wachsen selbst an ihren sehnelistge¬
drehten Organen und der Blick in die Teile der Maschine wird
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