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etruskisches Heer gezogen und eroberte die Stadt. Seitdem regierten etrns-
tische Könige in Rom. Der erste war Tarqninins der Ältere.
Er umgab die Stadt mit einer Backsteinmauer und verschönerte sie durch groß-
artige Bauten. So legte er den Grund zum Tempel des Jupiter; ferner
richtete er einen Zirkus her. Sein größtes Werk sind die Kloaken, unter-
irdische Kanäle, durch welche die Sümpfe zwischen den einzelnen Hügeln der
Stadt entwässert wurden, so daß diese Gegend nun bewohnbar war. Bei
all dieser Arbeit verdiente das niedere Volk viel Geld, und darum hing es
dem Tarquinius an.
Die Patrizier freilich waren mit der Fremdherrschaft wenig zu-
frieden; denn die neuen Könige fragten nichts mehr nach ihnen. Die schlimmsten
Zeiten kamen unter Tarqüiniüs Superbüs. Er legte den Reichen
schwere Steuern auf. Wer sich nicht fügte oder ihm auch nur verdächtig er-
schien, den verbannte er aus der Stadt oder ließ ihn gar hinrichten. Ganze
Geschlechter räumte der Tyrann aus dem Wege. Von einer großen Familie
verschonte er nur einen einzigen Sprößling, und zwar deshalb, weil dieser
sich blödsinnig stellte. Es war Brutus; der schien ihm so harmlos zu sein,
daß er ihn sogar seinen Söhnen zum Gespielen gab. Aber auch den Ple-
bejein ging es jetzt schlecht genug; denn die Fronden nahmen kein Ende.
5. Die Vertreibung der Königsfamilie. Die Sage weiß zu erzählen,
wie die Unzufriedenheit zum offenen Ausbruch kam.
Tarquinius belagerte mit seinem Heere eine nahe Stadt. Das Leben
in den Zelten wurde allmählich langweilig. Um sich die Zeit zu vertreiben,
hielten die königlichen Prinzen Gastmahle ab. Bei
einer solchen Schmauserei stritten sie sich darum,
wer die beste Frau hätte. Um den Streit gleich
zu entscheiden, ritten die Wettenden nach Rom, um
die Frauen bei ihrer Tätigkeit zu beobachten. Da
fanden sie alle andern Damen bei Vergnügungen
und Festlichkeiten, nur die Gattin des Colla-
tinus, Lueretia, saß noch um Mitternacht
zwischen ihren Mägden und beaufsichtigte sie beim
Spinnen. Ihr wurde sofort der Preis zuerkannt.
Doch bald erschien der übermütige Sextus
Tarquinius in ihrem Hause und beleidigte sie
schwer. Sie ließ darauf ihren Gemahl und Brutus
kommen und erzählte ihnen, was vorgefallen war.
Beide mußten ihr schwören, die Gewalttat zu rächen;
hierauf stieß sie sich einen Dolch in die Brust, weil
sie ihre Schmach nicht überleben wollte.
Die Männer trugen den Leichnam auf den
Markt, schilderten dem zusammenströmenden Volke
| diese und andere Schandtaten der königlichen Familie
Aktoren. unb forderten die Bürger auf, ihr die Stadt zu
verbieten. Entrüstet schloß das Volk die Tore. Auch das Heer fiel von Tar-
quinius ab. Ihn und seine Familie verbannte die ergrimmte Volksversamm-
lung für ewige Zeiten aus der Stadt und schaffte die Königswürde ab.