46 11. Aus der Zeit Wilhelms I.
dauerte die Belagerung, da ergab sich die Festung. Einen Monat
früher, Ende September schon, hatte sich S t r a ß b u r g ergeben. Auch
P a r i s , die stärkste Festung der Welt, wurde belagert. Das war eine
schwere Arbeit und dauerte lange. Weihnachten und Neujahr feierten
die deutschen Soldaten noch vor Paris. Während der langen Be-
lageruug waren in Paris aber die Nahrungsmittel knapp geworden,
denn die deutschen Truppen ließen niemand in die Stadt hinein. Eine
Hungersnot brach aus. Da mußte die stolze Stadt sich Ende Januar
ergeben, und die Deutschen zogen als Sieger ein.
7. Teutschland wird ein Kaiserreich. In diesem Kriege hatten
alle deutschen Staaten zusammengehalten und hatten Schulter an
Schulter gegen den gemeinsamen Feind gekämpft. Es hatte sich gezeigt:
Eintracht macht stark. Da wurde der'Wunsch laut, daß Deutschland
_ auch äußerlich ein Ganzes bilde und unter einem Oberhaupt vereinigt
werden möchte. Während der Belagerung von Paris baten Vertreter
des deutschen Volkes und die deutschen Fürsten den greisen Sieges-
Helden, den König Wilhelm von Preußen, die Würde eines deutschen
Kaisers anzunehmen. Er erklärte sich dazu bereit, und in dem
französischen Kaiserschlosse zu Versailles vor Paris wurde er in
Gegenwart vieler deutschen Fürsten und Heerführer am 18. Januar
1B71 feierlich zum deutschen Kaiser ausgerufen.
8. Friede. Als Paris sich Ende Januar ergeben hatte, war der
Krieg aus. Es wurde zunächst ein Waffenstillstand geschlossen, dem
der endgültige Friede folgte. Frankreich mußte Elsaß-
Lothringen an Deutschland abtreten und hohe Kriegs-
To st e n bezahlen.
Die Sieger kehrten nun heim und wurden überall festlich emp¬
fangen. Mit wehenden Fahnen und klingendem Spiel zogen sie wieder
ein in die Städte der Heimat, die sie vor etwa 3/4 Jahren verlassen
hatten. Ehrenpforten erhoben sich in den Straßen, durch die sie kamen,
Blumen und Kränze flogen aus den Fenstern auf sie herab, und eine
freudig bewegte Menge stand dicht gedrängt an den Seiten, um sie zu
begrüßen. Freilich floß daheim im stillen Stübchen auch manche Träne;
nicht jeder, der ausgezogen war, kehrte zurück; viele ruhen draußen in
fremder Erde und sehen ihre Heimat nicht wieder.
C. Der giaifet Wittjetm I.
1. Wie der Kaiser lebte. Kaiser Wilhelm I. war schon 74 Jahre
alt, als er Kaiser ward. Aber feine hohe Stellung war für ihn nicht
bloß eine schöne Würde, sondern sie brachte ihm auch viel Arbeit. Trotz
seines Alters war er unausgesetzt tätig, um seine Pflichten zu erfüllen.
Schon früh zwischen 5 und 6 Uhr stand er aus. Den ganzen Vormittag
arbeitete er, las Briefe und hörte die Vorträge feiner Minister. Nach-
mittags fuhr er etwas fpazieren, und von 3 bis 5 Uhr war wieder
Arbeitszeit. Dazwischen kamen 5ann auch noch allerlei Reisen zu
Denkmalseinweihungen und andern Festlichkeiten. Abends besuchte er