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B. Vom Westfälischen Frieden bis zur ©egentoart.
den Eingeborenen unserer Kolonien sind uns nicht erspart geblieben.
Nachdem schon 1893 ein Ausstand der Witbois in Süd Westafrika unter-
drückt worden war, erhob sich 1903 der Hottentottenstamm der Bondel-
zwarts im Süden der Kolonie. Kaum waren sie beruhigt, so stand der
weit zahlreichere Stamm der Herero aus. Der Kaiser sandte sofort
Truppen und den General von Trotha dorthin, der mit Unterstützung tüch-
tiger, in Afrika bereits bewährter Führer, wie Deimling und von Estorf,
die Herero am Waterberg vollständig besiegte. Nun erhoben sich die
Hottentotten wieder, und ihnen schlössen sich die Witbois an, die bislang
ans säten der Deutschen gefochten hatten. Auch sie wurden überwältigt,-
aber der Kamps währte bis in den Frühling 1907, und über 2000 deutsche
Krieger sind im offenen Kämpft erlegen oder der Grausamkeit und Hinter-
list der Eingeborenen sowie der Unwirtlichkeit des Landes, besonders der
Sonnenglut und dem Wassermangel, zum Opfer gefallen.
In einem Vertrage mit Frankreich über Marokko erwarb das Deutsche
Reich 1911 einen Teil des französischen Kongo, der halb so groß ist wie
das Deutsche Reich und mit der Kolonie Kamerun vereinigt worden ist.
f) Wirtschaftliche Verhältnisse. Der deutsche Handel hat einen
großartigen Aufschwung genommen/ die deutsche Handelsflotte ist die
zweitgrößte der Welt, Hamburg die größte Handelsstadt des europäischen
Festlandes. Das Deutsche Reich ist mit einem dichten Netze von Eisen-
bahnen, Telegraphen- und Telephonleitungen überzogen. In Nauen bei
Berlin, in Norddeich (Norderney gegenüber), aus Borkum usw. befinden
sich Stationen für die drahtlose Telegraphie, und in der Luftschisfahrt
ift das deutsche Volk weiter als irgendein anderes. Die deutschen Eisen-
bahnen vermögen den Güterverkehr nicht mehr zu bewältigen, weshalb
besonders Preußen eifrig den Kanalbau betreibt: der Dortmund-Ems-
sowie der Elbe-Trave-Kanal sind fertig, der weit größere Rhein-Weser-
Kanal ist im Bau begriffen. Er bildet einen Teil des geplanten Mittel-
landkanals, der bis zur Elbe weitergeführt werden soll.
Die vorzüglichen Verkehrsmittel ermöglichen es den Kaufleuten, ihre
Warenvorräte rasch und billig zu ergänzen) die meisten bedürfen daher
großer Lagerräume nicht mehr. Märkte und Messen haben ihre frühere
Bedeutung verloren, die Preise an den verschiedenen Handelsplätzen sind
gleichmäßiger geworden: es entwickelt sich mehr und mehr ein Welt-
markt. Der gewaltige Warenumsatz hat auch eine andere Art der Zah-
lung nötig gemacht. In ältester Zeit tauschte man Ware gegen Ware
(Naturalwirtschaft), oder der Käufer zahlte seine Schuld in abgewogenem
Edelmetall, erst später in ausgemünztem Metall, in barem Gelde.
(Geldwirtschaft.) Als auch dies im Großhandel nicht mehr möglich
war, führte man das Papiergeld ein: Banknoten oder Kassenscheine,