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Königin Elisabeth von England.
jähzornig wie eine rechte Tudor und zwar manchesmal bis zu würdeloser Roheit,
überaus anspruchsvoll, empfindlich, voll von weiblicher Eitelkeit und fürstlichem
Majestätsgefühl zugleich. Sie besaß keine Wärme und keinen Adel des Herzens
und des Geistes. Sie war, im kleinen Sinne des Wortes, ganz und gar eine
Frau. Sie war es auch in der Politik.
Wie oft, sicherlich, ist das Notwendige und Gute durch ihre Minister
geschehen, durch ihren Staatssekretär Franz Walsingham, dieses leidenschaftliche
Mitglied der kalvinistischen Weltpartei, den in allen bedenklichen Mitteln der
Staatskunst erfahrenen Fanatiker des großen politischen Stils, durch ihren Lord-
deutsamste und unentbehrlichste; allein die Linien zeichnete doch sie vor und
nicht jene.
Die große Mehrheit der Engländer ging auf die Bahnen der Herrscherin
ein; die Puritaner, die so viel zu schelten hatten, wußten doch, daß sie im
Größten mit der ihnen feindseligen Fürstin einig und verbunden blieben; die
Masse der katholischen Bevölkerung gab allgemach den allen Glauben auf und
feierte in Elisabeth, gleich jenen, die Verkörperung der Nation. Es war eine
Schicksalsgemeinschaft zwischen ihr und der Selbständigkeit Englands: fiel die
Königin, wo blieb die Freiheit und Nuhe des Landes? Gewiß war viel Glück
dabei; der Strom der Dinge trug Elisabeth; nicht ihr Verdienst war es, daß
ihr Nutzen dem Nutzen der Gesamtheit immer wieder gleichkam und daß selbst
ihre Unterlassungen und Zögerungen zuletzt ausnahmslos zum Guten aus-
schatzmeister William Cecil, den sie zum
Lord Burleigh erhob. In diesem erblickt
so mancher den wahren Werkmeister der
Größe, die wir nach Elisabeths Namen
benennen. Nicht mit Unrecht und doch
nicht mit Recht. Wir vermögen uns die
Erfolge, ja die Erhaltung dieser Re¬
gierung ohne die großen Helfer nicht
zu denken. Aber regiert hat Eli-
sabeth, und sie allein. Alle ihre
Minister waren bis zu einem gewissen
Grade Parteileute; sie war unbefangener
als alle; sie hielt sich äußerlich ganz
und gar und auch innerlich zu einem
guten Teil über ihnen. Sie hat immer
entschieden; der ganze Charakter ihres
Regimentes fließt aus dem Willen und
auch der Eigenart der Königin. Dabei
ergänzten ihre Mitarbeiter sie aufs be-