Eine Frankenstadt in der Merowingerzeit. 
141 
benützt wurde, Brandstätten und wüst- Plätze, an den Straßenecken kleine Holz- 
kapellen mit einem Heiligtum, Und unter Ruinen und Notbauten wieder das 
Gerüst einer großen steinernen Kirche, welche dem Stadtheiligen gebaut wurde, 
auf hoher Stelle ein Palast, den sich der germanische König errichten ließ, nach 
heimischer Sitte mit vielen Nebengebäuden sür Gesolge, Dienerschaft, Reistge 
und Rosfe, oder ein burgähnliches Turmhaus des Grafen mit Hosraum und 
weiter Halle. 
In den engen Straßen der Frankenstadt wandelte neue und alte Welt m 
buntem Gemisch durcheinander. Eine reisige Schar mit Helm und Panzer zog 
daher auf starken Kriegsrossen; oder der Jagdzug eines Königssohns, die Knaben 
den Köcher auf der Schulter, den Speer in der Hand, die Hunde am Leitseil, 
die Falken über dem Fausthandschuh. Vornehme Frankenfrauen, in der Sänfte 
getragen oder zu Rosse sitzend, teilten das Gewühl, und wieder ein stattlicher 
Geistlicher in weißer Dalmatica') mit Purpurstreif, nach römischem Brauch mit einem 
Gesolge von Diakonen^), Sängern und Türhütern, handfesten Männern, welche 
nicht nur das Gotteshaus sondern auch ihren geistlichen Hirten zu schützen 
hatten. Daneben Marktleute vom Lande. Hier die hohe Gestalt des helläugigen 
Germanen mit blondem Kraushaar, im braunen Lodenwams, das kurze Schwert 
an der Seite, die Axt in der Hand; neben ihm sein Weib im weißen Linnen¬ 
hemd, über welches die Armilausa geschlagen war, ein ärmelloser Überwurf, 
an den Seiten offen, nur über der Schulter geschlossen; auch die Frau von 
mächtigen Gliedern und einer Hand, die im Streite geballt sicher Beulen schlug. 
Vor ihnen gestikulierte der gebräunte Einwohner von Armorika3), kenntlich an 
der Stirnbinde, die er trug wie das Stadtvolk in Rom um sich als geborener 
Römer zu zeigen, der Handwerker mit seinem Schurzfell, Mlaven von jeder 
Hautfarbe. Mißtrauisch spähte in das Gedränge der christliche Syrer, der 
damals in den Handelsstädten des Abendlandes begünstigter Rivale des Juden 
war, und der Jude selbst, Geldmann der Stadt und Vertrauter des Königs, 
der aus seinem Klepper einherritt, begleitet von einem Zuge dienender Leute. 
Über die Karren und Lastwagen ragte der hohe Hals eines Kamels, das um 
600 auch im Frankenreich als Lastträger benützt wurde, ja noch unter Karl 
dem Großen beim Bau des Königschlosses von Aachen Steine zutrug. Auf dem 
Flusse führten die Frachtschiffe die Waren der Hafenstadt und die Ackerfrucht 
von entfernteren Gütern der Kirche nach der Stadt. 
') Ein aus Dalmatien stammendes langes weißes Oberkleid mit Ärmeln. 
2) Unter Diakonen verstand man eine den Bischöfen untergeordnete Klasse von 
Gemeindebeamten, welche die Ordnung beim Gottesdienst aufrecht zu erhalten, bei der 
Austeilung des Abendmahls Hilfe zu leisten und andere Obliegenheiten zu erfüllen hatten. 
*) Die nordwestliche Küste Galliens, die heutigen Landschaften Normandie und 
Bretagne.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.