Die Gründung des Minoritenordens. 
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schönen Kleidern, an Spiel, Sang und Schmausereien Gefallen. Von Ehrgeiz 
beseelt, war er in die Streitigkeiten verwickelt, die nach dem Tode Heinrichs VI. 
überall ausbrachen. Von den Perusinern gefangen und freigelassen, nimmt er 
sein lustiges Leben wieder auf. Da wirft ihn eine Krankheit nieder; die 
Nichtigkeit seines bisherigen Lebens tritt ihm vor Augen; aber noch einer 
zweiten Krankheit bedurfte es um die Wandlung in seinem Innern vollständig 
zu machen. Sein bisheriges Leben wird ihm zum Ekel; er vollzieht den Bruch 
mit der Welt; aber dieser bedeutete zugleich einen Bruch mit seiner Familie, 
denn ihr mißfiel die Tätigkeit, die er den Armen und Aussätzigen widmete. 
Als die Entfremdung zwischen Vater und Sohn aufs höchste gestiegen war, 
entfloh er dem Elternhause. Habe er bis jetzt gesagt: „Vater Bernardone", so 
werde er von jetzt an nur sagen: „Unser Vater im Himmel". Selbst die 
Kleider, die er aus dem Elternhause hatte, gab er zurück. Die kleine Kapelle 
Santa Maria degli Angelt, zwischen Rosenhecken versteckt, von alters her 
Portiunkula genannt, wurde die Wiege der von ihm veranlagen großen 
Bewegung. In ihrer Nähe baute er eine bescheidene Klause. In Portiunkula 
hörte er einst in der Predigt die Worte des Herrn im Evangelium Matthäi: 
„Ihr sollt weder Gold noch Silber noch Erz in eurem Gürtel haben, auch keine 
Tasche zur Reise, nicht zwei Röcke und keinen Stab!" Da warf er weg, was 
er noch hatte, um dem Worte des Evangeliums zu folgen. Damit begann (im 
Jahre 1209) sein apostolisches Wirken; Franz wurde der Bannerträger der 
Armut. Von den Mitbürgern mit Spott und Hohn verfolgt, als Tor ver- 
schrieen, machte er durch seine Predigten allmählich doch Eindruck. Bald schlössen 
sich Jünger an. Sie trugen die Tracht der Bauern der Umgegend. Bei der 
steigenden Zahl der Gefährten faßte Franz den Entschluß eine Regel zu ent- 
werfen und den Papst um ihre Bestätigung zu bitten. Er erreichte mit Mühe, 
daß ihnen gestattet wurde ihre Tätigkeit fortzusetzen; doch mußten sie einen 
Obern wählen. Dies wurde Franz. Die junge Stiftung war anfänglich kein 
Orden, nur eine Vereinigung von Leuten, die durch ein gemeinsames Ideal 
miteinander verknüpft sind und drei Aufgaben auf sich nehmen: 1. gänzlicher 
Verzicht auf Hab und Gut zugunsten der Armen, 2. rücksichtslose Selbstver- 
leugnung in der Nachfolge Christi und 3. Loslösung von allen Banden der 
Familie und der bestehenden gesellschaftlichen Ordnung. Ihre leiblichen 
Bedürfnisse werden durch Dienst und Arbeit gedeckt und nur im Notfall durch 
Bettel befriedigt, wobei aber die Annahme von Geld als Lohn oder Almosen 
ausgeschlossen war. Der Bettel war anfangs nur ein Mittel zur Selbstdemütigung. 
Die Hauptaufgabe der Brüder ist die Predigt. Noch hatten sie keinen Namen. 
Da wird eines Tages die Stelle der Regel verlesen: „Die Brüder sollen immer 
die Geringsten sein (sint minores)!" Da war der Name Minoriten gefunden. 
Die neue Gesellschaft wuchs erst in Mittelitalien stark an, seit 1219 wird die
	        
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