Die Ansiedelung deutscher Einwanderer in Ungarn.
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auch sie waren von den gewöhnlichen Steuern frei und hatten nur eine für
immer festgesetzte Abgabe an ©eld oder Naturalien (Zehnten) zu entrichten.
Ihre Kriegspflicht war genau geregelt, sie lebten nach eigenen Gesetzen und
wählten ihren Pfarrer und Richter selbst. Als höhere Instanz erkannten sie
nur den König oder dessen Stellvertreter an und durften über ihr Vermögen
testamentarisch frei verfügen. Als Beisitzer des Richters werden wohl auch
Geschworene erwähnt. Auch Abschaffung der Gottesurteile, besonders des
Zweikampfes, wird ihnen manchmal gewährt und dafür der Zeugenbeweis
eingeführt.
Eine größere zusammenhängende Gruppe mit einheitlicher Verfassung bil-
deten nur noch die Sachsen in der Zips^). Auch ihnen waren ähnliche Vor-
rechte zugestanden, wie diese der vorhin erwähnte große Freiheitsbrief des
Königs Andreas II. den Siebenbürger Sachsen gewährte.
Wenn an einem Orte die Deutschen näher beieinander wohnten und sich
nicht vorherrschend mit Ackerbau beschäftigten, so mußte aus einer solchen An-
siedelung von selbst eine Stadt erwachsen, da die Grundbedingung einer solchen,
Befreiung von den einheimischen Gerichten und eigene Gerichtsbarkeit nach
eigenen Gesetzen und nach einem eigenen Richter, schon vorhanden waren. Daher
beruht das Städtewesen in Ungarn durchaus auf deutschen Grundlagen. Schon
ihrer äußeren Form nach erweisen sich die Stadtrechte als Privilegien für die
„Gäste", die fremden Ansiedler. Ihnen und nicht allen Einwohnern einer Ort-
schaft werden zunächst bestimmte Rechte verliehen, aus denen sich das Stadt-
recht entwickelte. An manchen Orten ist geradezu ein deutsches Stadtrecht mit
einigen örtlichen Anpassungen zur Einführung gelangt, wie z. B. in Ofen,
dessen späterem, in deutscher Sprache verabfaßten Rechtsbuche Magdeburger Recht
zu Grunde liegt.
So bildete sich seit Bela IV., der besonders nach dem Mongoleneinfall
das Städtewefen planmäßig begünstigte, ein neuer Stand aus, der Stand der
Bürger, der vorherrschend aus Deutschen bestand.
l) Die Zips ist eine Landschaft im nördlichen Ungarn, im Osten und Süden der
Hohen Tatra; ihr Umfang kommt etwa dem Herzogtum Braunschweig oder dem dritten
Teil des bayerischen Schwaben gleich.