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Land und Volk von Attika. 
für Ziegen und Schafe als zum Ackerbau geeignet und die Baumfrüchte, die 
es in reichlicherem Maße und besonderer Güte hervorbrachte, namentlich Oliven 
und Feigen, dienten mehr dem feineren Genuß, als daß sie das notwendige 
Bedürfnis befriedigten. Für dieses waren also die Athener an das Ausland 
gewiesen. Der Verkehr zur See wurde auch durch die halbinselförmig sich ins 
Meer erstreckende Gestalt des Landes und mehrere Häfen an der Küste er- 
leichtert; da die Einwohner aber an Naturprodukten wenig zum Austausch zu 
bieten hatten, so mußten sie bedacht sein Erzeugnisse des Kunstfleißes zu liefern. 
Und wenn diese Natur ihres Landes ohne Zweifel dazu beitrug sie zur Tätig- 
keit und Betriebsamkeit anzuspornen, so war die sonstige Beschaffenheit desselben 
und das Klima, dessen sie genossen, nicht wenig geeignet ihrem Leibe Gesundheit 
und ihrer Seele Heiterkeit und Frische zu gewähren. Denn, wie einer ihrer 
Dichter sich ausdrückt, weder drückende Hitze noch starre Kälte sandte der Himmel 
dem Lande, über dem er sich in reinster Klarheit ausbreitete; indem er die mit 
Tälern und Bergen von mäßiger Höhe, aber malerischen Formen anmutig 
wechselnde Landschaft mit hellem Lichte belebte, weckte er auch die Seele des 
Bewohners und erfüllte dieselbe mit heiteren Bildern. 
Die Bevölkerung von Attika läßt sich zu den blühenden Zeiten des Staates 
auf etwa eine halbe Million berechnen, wovon freilich mehr als zwei Drittel, 
nämlich wenigstens 365000, Sklaven waren. Von der übrigen Zahl müssen 
etwa 45000 angesiedelte Fremde abgerechnet werden, so daß die freie bürger- 
liche Bevölkerung nicht über 90000 betrug. So gering nun auch diese Anzahl 
ist, so hat doch in der Tat eine größere Menge freier und zu wahrer staatlicher 
Einheit verbundener Menschen in keiner anderen griechischen Landschaft, auch in 
denen nicht gelebt, welche an Umfang Attika übertrafen. In Lakonien standen 
auch die persönlich freien Bewohner in einem Untertanenverhältnis zum Staate 
und waren nicht gleichberechtigte Mitglieder desselben; anderswo, in Böotien, 
Argolis oder Arkadien, gab es nur mehrere locker verbundene und oft mit- 
einander uneinige kleine Staaten, aber keine Staatseinheit, wie sie in Attika 
und zwar schon in sehr früher Zeit, zustande kam1). 
') Nach neueren Forschungen war Attika (wie auch andere Teile Griechen- 
lands) von einer hettitischen Urbevölkerung bewohnt und höchst wahrscheinlich lange 
Zeit von Kreta abhängig. Die Erinnerung daran hat sich deutlich in der Sage er- 
halten. Gerade in Attika scheint sich die vorgriechische Bevölkerung länger behauptet 
zu haben als anderswo; denn die Landschaft lag weit ab von der gewöhnlichen Heer- 
straße und bot für die Besiedelung nur wenig Reiz. (Pet. Huber, Geschichtliche Streit- 
fragen I.)
	        
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