Die Schlacht bei Aqua Sextiä.
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Marius aber kümmerte sich darum nicht, sondern hielt seine Soldaten still
innerhalb des Walles, schalt alle, die ihren Mut zur Schau trugen, nachdrück-
lich und nannte die, welche ihre Kampflust nicht bewältigen konnten und eine
Schlacht verlangten, Verräter des Vaterlandes. Denn keinen Wettkampf um
Triumphe und Trophäen gelte es, sondern des Krieges schwere Wolken und
Blitze zurückzuschaudern und Italien zu retten. Das sagte er im einzelnen
zu den Anführern und Oberen; die Soldaten aber ließ er, einen nach dem
andern, auf den Wall treten und hier sich umschauen; so gewöhnte er sie
den Anblick der Feinde zu ertragen, ihr Geschrei, das ganz fremdartig und
tierisch klang, auszuhalten und ihre Rüstung und Bewegungen kennen zu lernen.
Den Soldaten schwand nicht allein durch den täglichen Anblick mehr und mehr
die Bestürzung, sondern bei der Barbaren Drohungen und unerträglicher
Prahlerei durchglühte neuer Mut ihr Herz, während die Feinde nicht allein
rings umher alles raubten und fortschleppten, sondern mit großer Frechheit und
Dreistigkeit Angriffe auf den Wall unternahmen.
Die Teutonen versuchten zwar, da Marius sich ruhig verhielt, das Lager
zu stürmen. Da sie aber mit vielen Geschossen vom Walle herab begrüßt
wurden und einige ihrer Leute verloren, beschlossen sie vorwärts zu ziehen in
der Meinung, sie würden unbehelligt über die Alpen gehen können. So brachen
sie mit Sack und Pack auf und zogen am Lager der Römer vorbei. Da erst
zeigte sich recht ihre ungeheure Zahl an der Größe und langen Dauer des
Zuges. Denn sechs Tage lang sollen sie am Lagerwalle vorbeigezogen sein in
ununterbrochenem Marsche1).
Als aber die Barbaren vorbei und etwas vorgerückt waren, brach Marius
ebenfalls auf und zog ihnen langsam nach. Immer machte er zwar in ihrer Nähe
halt, bediente sich aber befestigter Lager und schützte sich durch sichere Stellungen
um ungefährdet übernachten zu können. Auf diese Art vorrückend gelangten
sie an die sog. Bäder des Sextius. Von da aus wären sie nach nicht langem
Marsche an die Alpen gekommen.
Deshalb bereitete denn auch Marius dort eine Schlacht vor und nahm
zum Lagerplatz einen Punkt, der wohl fest war, aber keinen Überfluß an Wasser
hatte, in der Absicht, wie es heißt, auch dadurch die Soldaten anzufeuern.
Wenigstens als viele murrten und äußerten, sie würden Durst leiden, wies er
mit der Hand auf einen Fluß hin, der nahe am Walle der Barbaren hinströmte,
und sagte, dort würden sie sich für Blut einen Trunk kaufen können. „Wes-
halb also," hieß es, „führst du uns nicht sogleich darauf los, solange uns noch
das Blut in den Adern nicht vertrocknet ist?" Und jener antwortete mit
ruhiger Stimme: „Erst müssen wir einmal unser Lager befestigen."
*) Das ist natürlich eine starke Übertreibung.
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