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Nach wie vor kann das deutsche Volk Vertrauen zu seinem Heere haben,
trotzdem die Dienstpflicht für die Fußtruppen von drei Jahren aus
zwei herabgesetzt ist.
6. Der Kaiser und die Flotte. Ganz besonders liegt nnserm Kaiser
das Gedeihen der deutschen Kriegsflotte am Herzen. Als sie unter seinem
Großvater gegründet wurde, war ihr bloß die Aufgabe zugedacht, unsre
Küsten zu schützen. Die gewaltige Ausdehnung unseres Handels
und die Erwerbung von Kolonien machten aber ihre Vergrößerung
nötig. Das scharfe Auge des Herrschers hatte das wohl richtig erkannt;
aber viele Deutsche wollten es lange nicht einsehen. Da war der Kaisei
unermüdlich' im Belehren. Wie oft rief er seinem Volke warnend zu:
„Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser!" Jetzt wissen die
meisten endlich, daß eine Vernachlässigung der Seewehr unser Vaterland
schwer schädigen würde.
7. Erwerbungen. Auf friedlichem Wege erwarb Kaiser Wilhelm im
Jahre 1890 die Insel Helgoland in der Nordsee. Dieses kleine Felsen-
eiland war ursprünglich deutsch, gehörte aber lange Zeit den Engländern.
Die Insel wurde gegen einige Gebiete in Afrika eingetauscht und der
Provinz Schleswig-Holstein zugeteilt; sie ist bestimmt, eine Schutzwehr im
deutschen Meere zu sein. Im Jahre 1897 gewann unsere Flotte einen
Stützpunkt in den chinesischen Gewässern, als die Bucht von Kiautschou
an das Deutsche Reich pachtweise überlassen wurde, und bald darauf kaufte
die Reichsregierung von Spanien die Palan-Jnseln und die Gruppen der
Karolinen uud der Mariane it. Auch die beiden Hauptinseln der S a m o a -
gruppe kamen unter der Regierung Wilhelms II. an Deutschland.
8. Deutsche Waffenkämpfe im Ausland. Wie notwendig uns eine
starke Flotte ist, zeigte sich besonders im Jahre 1900. In China war
der Haß gegen die Fremden gewaltig gewachsen und machte sich schließlich
in einer furchtbaren Verfolgung Lust. Die Fremdeuseinde, die von den
Engländern Boxer genannt wurden, metzelten viele Missionare und ein¬
heimische Christen nieder, und die Regierung unterstützte sie. Als der
deutsche Gesandte, Freiherr von Ketteler, darüber Beschwerde erheben
wollte, schoß ihn auf höheren Befehl ein chinesischer Unteroffizier auf offener
Straße nieder. Die übrigen Gesandten suchten im Gebäude ber englischen
Botschaft Schutz und würben dort belagert.
Um die Eingeschlossenen zu befreien, rückte ein englischer Admiral mit
geringen Streitkräften gegen Peking vor. Auch deutsche Matrosen befanden
sich darunter. Als der Kampf am heißesten tobte, gab der britische Befehls-
Haber das Kommando: ,Germans to the front!' Der Vorstoß mißlang
zwar; dagegen wurden durch die Flotte der fremden Mächte die Taknforts
an der Peihomündnng in Trümmer geschossen, wobei sich namentlich das
deutsche Kanonenboot „Iltis" auszeichnete. Nun war es möglich, Peking
zu erstürmen und die bedrängten Fremden zu befreien.
Inzwischen hatten sämtliche Großmächte, auch Japan und die Ver-
einigten Staaten, Truppen nach China geschickt. Den Oberbefehl übernahm
der deutsche Feldmarschall Gras von Waldersee. Er warf den Aufstand
völlig nieder. Da suchte China um Frieden nach. Es mußte eine hohe