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2. Das Innere. Man überschritt dann auf der herabgelassenen Zug-
brücke den Stadtgraben und ging durch den gewölbten Torbogen, in dem ein
FaUgitter hing. So gelangte man in die Stadt. Was man da zu sehen bekam,
konnte längst nicht alles schön genannt werden.
Die Straßen waren eng und meist nngepflastert. Auf ihnen suchten
die Schweine der Bürger ihre Nahrung. Bei nassem Wetter mußte man
förmlich durch Schlamm waten; an manchen Stellen brauchte man sogar
Stelzen. Die Häuser standen eng zusammen und hatten meist mehrere
Stockwerke. Gewöhnlich sprang jedes der oberen über das nächstuntere
vor; so gewann man Platz. Unten ragten Lauben in die Straße hinein;
das waren Vorbauten, in denen die Waren anslagen.
Es war hier zwar eng, aber es herrschte doch reges Treiben. Denn
fast alles, was man zum täglichen Leben brauchte, wurde in
der Stadt selbst hervorgebracht. Darum blühte auch überall das Hand-
werk. Nicht selten fand man ganze Straßen hindurch Haus für Haus
Bürger bei ein und derselben Beschäftigung. Da schnurrten in der einen
Gasse die Spulen der Weber; das war dann die Webergasse; in der
Schmiedsgasse dröhnten die Hämmer der Eisenarbeiter; beim Eintritt in die
Bäckergasse roch man den Dust frischgebackenen Brotes, während einem aus
der Metzgergasse ein übler Geruch entgegenströmte.
Gar stattlich waren die Häuser der wohlhabenden Bürger an-
zuschauen. Wie Burgen nahmen sie sich aus mit ihren Erkern, Zinnen und
Ecktürmen, und ihre buntbemalten Fenster machten einen anheimelnden Ein¬
druck. Kleinen Festungen gleich erschienen die hochummauerten Klöster mit
ihren geräumigen Höfen und Gärten. Sie und die prächtigen Kirchen
legten von der Frömmigkeit und dem Opfersinn der Bürger Zeugnis ab.
Der regste Verkehr flutete über den Marktplatz. An ihm standen
die schönsten Häuser; unter ihnen fiel gewöhnlich das stattliche Rathaus noch
besonders auf. Bei dem kunstvoll geschmückten Brunnen traf man den ganzen
Tag Menschen. Hier erfuhr jeder am schnellsten die Neuigkeiten aus dem
Reiche, von hier wurde der Stadtklatsch umhergetragen.
3. Die Bürger. Fast alle Bürger trieben Landwirtschaft. Doch
konnten nur solche, die größeren Grundbesitz hatten, davon leben; für die
meisten war sie Nebenbeschäftigung. Sie zogen nur, was sie für den Haus¬
gebrauch am nötigsten hatten.
Mannigfach waren die Arten des Gewerbes. Der Groß-
kanfmann schichtete in feinen geräumigen Speichern alle möglichen Waren
auf, von den Ballen Rohwolle bis zu dem sorgfältig gehüteten Säcklein mit
kostbarem Safran; in seinen Kellern lagen große Stückfässer mit Elsässer
und Rheingauer Weinen. Der Kleinkrämer hielt in seiner „Apotheke"
Spezereien feil nebst manchem heilkräftigen Kräntlein. Alle Handwerke
waren vertreten. Die Eisenwaren vom Hufeisen bis zum kunstvoll geschmie¬
deten Panzer, bie Holzarbeiten von der rohgezimmerten Holzkiste bis zur
herrlich geschnitzten Truhe: alles wurde von den Bürgern der Stadt
angefertigt. Manche Handwerkszweige erhoben sich in einzelnen Städten zur
höchsten Blüte; ihre Erzeugnisse wurden dann viel ausgeführt und erlangten
wohl gar Weltruhm.
Froning-Klarmnnn-Wewer. Geschichte für Mittelschulen. III.Teil." 7