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in ihren Residenzen. Gewiß -haben diese anstrengenden Reisen viel zur Er-
Haltung des europäischen Friedens beigetragen.
5. Der Kaiser und das Heer. Gerade weil der Kaiser den Frieden
liebt, ist er rastlos bemüht, die Schlagfertigkeit der Armee zu er-
höhen. Er sorgt für die besten Geschütze und Gewehre. Die tüchtige Aus-
bildung der Vorgesetzten, der Offiziere und Unteroffiziere, liegt ihm sehr am
Herzen. Ohne Nachsicht werden Unfähige entfernt. Streng wird jede Miß-
Handlung des gemeinen Soldaten bestraft; seit dem Jahre 1900 ist das
gerichtliche Verfahren auch beim Militär öffentlich und mündlich.
Alljährlich finden umfangreiche Manöver statt, deren größtes gewöhnlich
der Kaiser selbst leitet. So kann das deutsche Volk nach wie vor Vertrauen
zu seinem Heere haben, trotzdem die Dienstpflicht für die Fnßtruppen
von drei Jahren auf zwei herabgesetzt worden ist.
6. Der Kaiser und die Flotte. Ganz besonders liegt nnserm Kaiser
das Gedeihen der deutschen Kriegsflotte am Herzen. Als sie unter seinem
Großvater gegründet wurde, war ihr bloß die Aufgabe zugedacht, uusre
Küsten zu schützen. Die gewaltige Ausdehnung unseres Handels
und die Erwerbung von Kolonien machten aber ihre Vergrößerung
nötig. Das scharfe Auge des Herrschers hatte das wohl richtig erkannt;
aber viele Deutsche wollten es lange nicht einsehen. Da war der Kaiser
unermüdlich im Belehren. Wie oft rief er seinem Volke warnend zu:
„Deutschlands Zukunft liegt auf dem Wasser!" Jetzt wissen die
meisten Deutschen endlich, daß eine Vernachlässigung der Seewehr eine
schwere Schädigung des Vaterlandes mit sich brächte.
7. Erwerbungen. Nur eine tüchtige Flotte machte es möglich, unsere
Besitzungen zu vermehren. Auf friedlichem Wege erwarb Kaiser Wilhelm im
Jahre 1890 die Insel Helgoland in der Nordsee. Dieses kleine Felsen-
eiland war ursprünglich deutsch, gehörte aber lange Zeit den Engländern.
Die Insel wurde gegen einige Gebiete in Afrika eingetauscht und der Provinz
Schleswig-Holstein zugeteilt; sie ist bestimmt, eine Schutzwehr im deutschen
Meere zn sein. Im Jahre 1897 gewann unsere Flotte einen Stützpunkt in
den chinesischen Gewässern, als die Bucht von Kiautschou an das
Deutsche Reich pachtweise überlassen wurde; und bald darauf kaufte die
Reichsregierung von Spanien die Pal au-Inseln und die Gruppen der
Karolinen und der Marianen. Auch die beiden Hauptinseln der
Sam oa-Gruppe kamen unter der Regierung Wilhelms II. an Deutschland.
8. Deutsche Waffeukämpfe im Ausland. Wie notwendig uns eine
starke Flotte ist, zeigte sich besonders im Jahre 1900. In China war
der Haß gegen die Fremden gewaltig gewachsen und machte sich schließlich
in einer furchtbaren Verfolgung Luft. Die Fremdenfeinde, die von den Eng¬
ländern Boxer genannt wurden, metzelten viele Missionare und ein-
heimische Christen nieder, und die Regierung unterstützte sie. Als der deutsche
Gesandte, Freiherr von Ketteler, darüber Beschwerde erheben wollte, schoß
ihn auf höheren Befehl ein chinesischer Unteroffizier auf offener Straße
nieder. Die übrigen Gesandten suchten im Gebäude der englischen Botschaft
Schutz und wurden dort belagert.