Die Ausbreitung der römischen Macht durch die Punischen Kriege. 77
Kelten und Jtaliker. Als Feldherr zeigte sich Hannibal rasch entschlossen und
doch dabei vorsichtig, unwiderstehlich kühn und unübertrefflich an List und Klug-
heit. Niemals hatten die Römer einen gefährlicheren Feind als ihn.
1. Hannibals Siegeszug. Im Frühjahr 218 übertrug Hannibal die
Verteidigung Spaniens und Afrikas seinem Bruder Hasdrübal; er selbst
trat mit einem Heere auserlesener Kerntruppen (etwa 35 000 Mann
Fußvolk, 10 000 Reitern und einigen 30 Elefanten) den Landmarsch
nach Italien an. Rasch überschritt er die Pyrenäen, setzte über die Rhone
und kam an den Fuß der Alpen. Hannibal überstieg sie, wahrscheinlich
auf dem Wege über den Kleinen St. Bernhard, unter großen Be-
fchwerden und Verlusten^) und gelangte durch diesen berühmt geworde-
nen Alpenübergang in das Pogebiet. Hier waren die Kelten kurz vor- 218
her von den Römern unterworfen worden (S. 76), benützten aber6ept'
jetzt die Ankunft der Punier, um sich gegen die römische Herrschaft zu er-
heben und sich dem Hannibal anzuschließen. Die Römer wollten diese
Vereinigung hindern, wurden indes noch im gleichen Jahre am Ticinus Sept.
und an der Trebia (einem linken und einem rechten Nebenfluß des Po) Dez.
von den Puuieru geschlagen.
Während des Winters schulte Hannibal die ihm zuströmenden Kelten
und brach dann im Frühjahr uach Mittelitalien auf. Die beiden Konsuln
suchten ihm die zwei nach Süden führenden Hauptstraßen über den Apennin
zu versperren. Aber der kluge Punier umging die feindlichen Stel-
lungen und gelangte unangefochten nach Etrurien. Als ihm nun einer
der Konsuln unvorsichtig nacheilte, lockte ihn Hannibal am Trasimeni-
schen See bei dichtem Nebel in einen Hinterhalt und vernichtete das 217
römische Heer fast vollständig; auch der Konsul fiel. Die erschreckten
Römer ernannten jetzt den vorsichtigen Fabius Maxlmus zum Dik-
tator, weil sie einen Angriff auf ihre Stadt befürchteten. Doch Hanni-
bal sah wohl ein, daß an eine Belagerung Roms gar nicht zu denken
sei, solange die Bundesgenossen den Römern treu blieben; sie
wären ja der karthagischen Belagerungsarmee in den Rücken gekommen.
Deshalb zog Hannibal an Rom vorüber nach Samnium und rief von
hier aus die Osker und die Großgriechen zum „Freiheitskampf gegen
Rom" auf. Indes die römischen Bundesgenossen zögerten, da die
Römer noch immer eine beträchtliche Streitmacht hatten. Deshalb
suchte Hannibal das römische Heer nochmals zu schlagen; aber alle List war
umsonst: der erfahrene Diktator Fabius ließ sich auf keine ernstliche Schlacht
ein, obwohl das römische Volk mit seiner Kriegführung unzufrieden war und
ihn einen „Zauderer" schalt.
x) Hannibal verlor etwa 8000 Mann, dazu fast sämtliche Elefanten.