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Zeitalter der Reformation.
Der Dreißigjährige Krieg.
Niemals hat das Sprichwort „Kleine Ursachen, große Wirkungen"
eine so erschütternde Bestätigung gefunden wie bei den Ereignissen, die
1618 sich am 23. Mai 1618 in Prag abspielten.
Wie wir oben sahen, waren weder Rudolf II. noch Matthias
energisch gegen die Nichtkatholiken in ihren Stammlanden eingeschritten, ob-
wohl sie nach dem damals allgemein gültigen und auch vom Augsburger
Reichstag (1555) neubestätigten Grundsatz „Wessen Land, dessen Religion"
das unbestrittene Recht dazu gehabt hätten. Das mußte sich voraussichtlich
ändern, wenn der eifrig katholische Ferdinand von Graz (Steiermark)
das österreichische Gesamterbe antrat. Die Thronfolge Ferdinands war indes
bei der Kinderlosigkeit der beiden Kaiser (Rudolf II. blieb überhaupt unver¬
mählt) nur eine Frage der Zeit. Deshalb suchten die Nichtkatholiken früh
genug vorzubauen. Von diesem Gedanken geleitet, hatten die Böhmen
seinerzeit den „Majestätsbrief" erzwungen. Das gleiche wünschten auch die
Stände von Ost erreich (im engeren Sinn) und Ungarn zu erreichen,
stießen aber auf den Widerstand des Kaisers Matthias. Daher kam es
in beiden Ländern zu Au sständ en, die umso gefährlicher waren, weil die
Türken einen solchen Anlaß sich nicht entgehen ließen, um Eroberungen
in Ungarn zu machen, und Habsburg vom Reich keine Hilfe zu erwarten
-hatte, da die Pfälzer Partei (Calviuisten) jeden Reichstag durch ihre zurzeit
unerfüllbaren Forderungen sprengte (siehe oben). Diesen Wirrwarr wollten
nun die böhmischen Nichtkatholiken ihrerseits benutzen, um die nach dem
Majestätsbrief noch unentschiedene Frage, ob die Untertanen „geistlicher
Fürsten" den Untertanen „königlicher Güter" gleichmachten feien,
alfo das Recht des Kirchenbaues hätten oder nicht, durch einen prak¬
tischen Versuch zur Entscheidung zu bringen, solange noch der kränkliche
Matthias am Leben war. Von ihm erwartete man sich weniger Widerstand
als von Ferdinand. Übrigens erschien die Sache sehr dringend; denn da
Matthias sein Ende herannahen fühlte, hatte er seinen Vetter bereits
1617 zum Nachfolger wählen und krönen lassen und Ferdinand hatte bei
dieser Gelegenheit den Majestätsbrief tatsächlich unterschrieben
(natürlich nur für die böhmischen Länder, nämlich Böhmen, Mähren,
Schlesien).
Demnach bauten die Protestanten von Klostergrab uud Braunau
je eine Kirche; aber die von Braunau ließ der dortige Abt schließen, die
von Klostergrab der Erzbischof von Prag niederreißen. Die dadurch er-
fütterten protestantischen Stände warfen nun unter Führung des Grafen
Matthias v. Thurn die beiden Statthalter Martinitz und Slavata,
denen man die Schuld an dem ablehnenden Entscheid des Kaisers zu-
1618 schrieb, nebst dem Geheimschreiber Fabricins znm Fenster hinaus, ohne
daß sie sich übrigens wesentlich verletzten. Der Ärger hierüber beschleunigte
das Ende des kranken Matthias und jetzt war Ferdinand sein recht-
müßiger Erbe. Aber die protestantisch gesinnten Stände von Ost er-