Full text: Lehrbuch der Geschichte für Mittelschulen

Vorgeschichte des Spanischen Erbfolgekrieges. 
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nischen Niederlande" mit königlicher Pracht residierte. Nun eröffnete 
sich seinem Hause eine glänzende Zukunft. Bisher schon hatten die 
Wittetsöacher eine Rolle gespielt, deren Bedeutung über die Grenzen 
Deutschlands hinausging. In Schweden trug seit 1654 ein Psälzer 
Zweig (Zweibrücken-Kleeburg) die Königskrone; in Deutschland selbst 
besaß das Gesamthaus über 100 Jahre lang 3Kurwürdeu (Pfalz, 
Bayern, Köln), vorübergehend sogar noch eine vierte (Trier); wenn jetzt 
auch die gesamte spanische Erbschaft mit den Kolonien an die Familie 
Wittelsbach kam, so mußte dieselbe das erste Herrschergeschlecht 
in Europa werden und einen Länderbesitz zusammenbringen, in dem 
die Sonne noch viel weniger untergehen konnte wie seinerzeit im Reiche 
Karls V. Man sieht, welche großen Hoffnungen sich an das Leben 
des bayerischen Kurprinzen knüpften, der jetzt nach Brüssel gebracht 
wurde. Schon lag eine Flotte bereit, um den nunmehrigen „Prinzen 1699 
von Asturien" in sein zukünftiges Erbreich zubringen, da starb derselbe Febr. 
ganz plötzlich. 
Der schmerzgebeugte, in allen seinen Hoffnungen getäuschte Vater konnte 
sich lange Zeit nicht des Gedankens erwehren, daß der Wiener Hof bei dem 
Tode des Kurprinzen seine Hand im Spiele gehabt habe. Dieser Argwohn 
erklärt die Wendung in der PolitikMax Emanuels. Er schloß sich 
mit seinem Bruder Joseph Klemens von Köln eng an Ludwig XIV. 
an und hielt in ber Folgezeit an seinem einmal gegebenen Wort auch 
dann noch fest, als das Interesse seines Stammlandes einen Bruch mit 
Frankreich und Anschluß cm den Kaiser verlangt hätte. 
Letzterer gewann dagegen andere Bundesgenossen. Für das Haus Han- 
notier (jüngere Linie des Welsengeschlechts Braunschweig-Lüneburg), das 
anerkannte Erbansprüche auf England hatte, war bereits 1692 
eine Kurwürde (die neunte) geschaffen worden. Dafür tiersprach der neue 
Kurfürst Ernst August, die österreichischen Ansprüche auf Spanien zu 
unterstützen. Das nämliche gelobte der sächsische Kurfürst August II. 
der Starke, weil ihm der Kaiser nach dem Tode Johann Sobieskis zur 
polnischen Königskrone tierhalf (1697). Dieser zuliebe hatte August 
das lutherische Bekenntnis mit dem katholischen tiertauscht und damit 
dem Ansehen seines Hauses sehr geschadet. Denn nicht allein, daß fortan 
seine katholischen Nachkommen ein fast durchweg eifrig protestantisches Land 
beherrschen, auch die Bedeutung als Vormacht des Protestantismus 
in Deutschland ging jetzt von den katholischen Wettmern in Kursachsen auf 
die protestantischen Hohenzollern in Kurbrandenburg über. 
Die letzteren erlangten damals zugleich eine Stärkung ihrer politischen Stellung, 
indem Kurfürst Friedrich III. mit Zustimmung des Kaifers den Königs- 
titel („in", später „von" Preußen) annahm. Doch konnten nur Hannover 
und Preußen den Kaiser im Spanischen Erbfolgekrieg unterstützen, während 
Sachfen-Polen durch den gleichzeitigen „Nordischen Krieg" in Anspruch ge- 
nommett wurde. 
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