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Walhalla verbringen ließ), Wodan, Odin genannt, schuf die
Welt und die übrigen Götter oder Asen. Seine zwei Raben umfliegen
täglich die Erde und berichten über alles Gesehene.
Freya oder Frigga, seine Gemalin. war dieGöttin der Siebe
und Ehe und fürte im Wingolf oder Freudensitz die Herrfchaft
über die übrigen Göttinnen
Ihre vornehmsten Söne waren: Tyr oder Tiusko, der Gott des
Kriegs und Vater des Man, des Stammvaters der Germanen; Thor
oder Donar, der Gott des Donners, welchen er mit feinem rollenden
Wagen in den Lüften erzeugt; Balder, der Gott alles Guten und
Schönen, und Braga, der Gott der Weisheit, Dichtkunst, Be-
redfamkeit und Beschützer der Skalden oder Barden.
Die drei Töchter Freya's: Gersemi, Gnos und Nossa,
gleichen wegen ihrer Liebenswürdigkeit den Grazien, und die
Nornen, die germanischen Parzen, bestimmten in unabänderlicher Weise
die Lebensdauer der Menschen: Urd stellt die Vergangen-
heit, Waranda die Gegenwart, Skuld die Zukunft dar. Als
Seherinnen oder Heilkünstlerinnen galten die Alrune», so benannt,
weil sie sich zu ihrer Zauberei der Runen st äbe, fo hieß man die alt-
germanischen Buchstaben, bedienten.
Die männlichen Elfen waren den Walkyren vermalt,
erschienen den Menschen in Gestalt von Schwänen und ließen sich, da
sie sehr gesellig waren, leicht durch Musik anlocken. Sowol die männ-
lichen als die weiblichen Elsen, denen die weiße Frau vorstand, teilten
sich wider in gute und böse.
Dagegen lockten umgekehrt die Nixen oder Wasserjungfrauen,
ebenfalls durch Musik, die Menschen an, um deren Freiheit es dann
geschehen war. — Die hässliche Frau Holla mit ihrem wilden Jagd-
gcfolge stellt den stürmischen Winter dar und war das Ge¬
spenst der Germanen.
In hohem Ansehen stund auch die Göttin Hertha, in welcher
die segenspendende Erde verehrt wurde. Ein Bild derselben befand sich
auf Rügen und wurde alljärlich auf einem von heiligen Kühen ge¬
zogenen Wagen an einen Teich gefürt und abgewaschen. Die dazu ver-
wendeten Sklaven aber wurden unmittelbar darauf in den See geworfen,
weil der Anblick der Göttin sträflich erschien.
Die größten Feinde der Götter und Menschen waren
Loke und seine bleiche Tochter Hela, die Göttin der Unterwelt.
Die Verehrung der Götter geschah meist in geweihten
Hainen, hie und da auch in Tempeln, fo in Upfala, wo sich ein
berühmter Freyatempel befand, und die Druiden oder Priester opferten
Feldfrüchte und Tiere, dem Wodan sogar Menschen.
Die Erinnerung an die alten Götter ist am bestimmtesten in den Namen unserer
Wochentage erhalten; der Dienstag ist nach Tyr oder Tiusko, der Donnerstag nach
Thor oder Donar, der Freitag nach Freya, der Mittwoch nach Wodan benannt.
Die Beerdigungen waren prunklos. Jeder freie Mann
wurde mit seinen LieblingSwaffen begraben, die Vornehmen wurden wol
auch mit den Waffen und dem Streitrofs verbrannt.