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auf roter Erde an einem Freistuhl geschehen und ging unter sestbe-
stimmten Förmlichkeiten vor sich. Zwei oder mehr Freischöffen traten
vor den auf seinem Stuhle sitzenden Freigrafen und baten um Erlaub-
nis, den oder jenen „unwissenden Mann" in die heimliche Acht bringen
zu dürfen, indem sie sich zugleich dafür verbürgten, daß er ein Frei-
geborner und Unbescholtener sei. Nach erhaltener Erlaubnis wurde
derselbe in die beschlossene (b. h. mit einem Strick umzogene) Gerichts¬
stätte geführt. Mit entblößtem Haupte kniete er vor dem Freigrafen
nieder, der, das Gesicht nach Osten gewendet, vor einem Tische saß,
auf welchem zwei gekreuzte Schwerter und ein Strick lagen. Auf diese
legte das neue Mitglied seine Hand und schwur mit einem Eide, „die
Feme heilig zu halten vor Weib und Kind, vor Sand und Wind, vor
allem, was Gott hat lassen werden zwischen Himmel und Erden."
Hierauf teilte ihm der Freigraf die geheime Feme, d. h. die Losung,
mit, woran sich die Freischöffen erkannten, aus den vier Worten be-
stehend „Strick, Stein, Gras, Grein", deren Zusammenhang erklärt
wurde, und zuletzt wurde auch das „Notwort" kund gegeben, auf welches
jeder Freischöffe dem andern zu Hilfe kommen mußte, und wäre der
Gegner selbst der eigene Sohn gewesen. Die geheimnisvolle Formel,
deren Sinn erklärt wurde, lautete: „Reinir bor Feweri"; ihre Be¬
deutung ist bis zur Stunbe noch nicht enträtselt, bentt wer sie verriet,
warb ohne Gnabe hingerichtet. Das Gesetz schrieb vor, bem Schülingen
bic Hänbe zusammenzubinben, ein Tuch über seine Augen zu hängen, ihm
bie Zunge bis auf ben Nacken unb einen breisträhnigen Strick um ben
Hals zu winben unb bann ihn sieben Fuß höher zu hängen als einen
verfemten Missetäter ober Dieb.
Auch mit bem heimlichen Schöffengruß würbe ber neue Freischöffe
vertraut gemacht. Der Freischöffe legte feine rechte Hanb auf seines
Genossen linke Schulter unb sprach: „Ich grüß' Euch, lieber Mann,
was fanget ihr hier an?" worauf ber anbere antwortete: „Alles Glück
kehre ein, allwo bie Freischöffen sein!"
Aus ben Freischöffen würben bann wieber bie Freigrafen gewählt,
bie stets geborne Westfalen sein mußten, jeboch, wenn sie nur bie gehörigen
Kenntnisse besaßen, jedem Stanbe angehören konnten. Nicht selten nahm
ein einfacher Bauer ben Freiftuhl ein, währenb unter ben um ihn ver¬
sammelten Freischöffen sich Ritter unb Grafen befanben. Diese saßen,
wenn bas Urteil geschöpft würbe, entblößten Hauptes, über ben Schultern
das „Mentelin", ohne Waffen unb nüchtern.