Full text: Erzählungen aus der Weltgeschichte

nur in einer religiösen Buße bestand. — 
grausamen Behandlung des Herrn konnte sich der 
Sclave durch Flucht zu einem Asyle, namentlich 
zum Theseion, entziehen und von dort aus um 
den Verkauf an einen andern Herrn bitten (tiqu- 
Oiv aktiv). Ob und in welchen Fällen der Herr 
genöthigt war, der Forderung nachzugeben, steht 
nicht fest. — Im Uebrigen war die rechtliche 
Sphäre der Sclaven, ihrer Stellung als Besitz des 
Herrn gemäß, äußerst beschränkt. Sie ermangeln 
der Rechtsfähigkeit und können daher auch keine 
Klage anstellen. Dies Recht hat nur der Herr, in 
dessen Besitz sie stehen, und für den die Verletzung 
eines Sclaven zugleich eine Kränkung seines Eigen¬ 
thumsrechtes ist. Anders war es mit solchen Scla¬ 
ven eines Ausländers, die, in Athen wohnhaft, 
aus Rechnung des Herrn oder gegen eine Abgabe 
(dnocpoQÜ) selbständig ein Geschäft betrieben. Diese 
wurden als Freie angesehen und behandelt. Auch 
als Zeugen durften sie nicht auftreten; doch galt 
ihre Aussage, die stets mit der Tortur verbunden 
war, für ein gerichtliches Beweismittel von großem 
Gewichte. (Ueber das Verfahren bei der Tortur 
vgl. Bu6ccvLGt7]g.) — Eine Klage gegen Scla¬ 
ven (stets vor den Siaitcten) konnte wol nur in 
dem Falle angestellt werden, wenn der Sclave 
ohne Auftrag seines Herrn eine Handlung be¬ 
gangen hatte, durch die eilt Anderer verletzt war. 
War eine solche Handlung im Austrage des Herrn 
geschehen, so war, wie es scheint, gegen ihn auch 
die Klage zu richten. Gegen einen entlaufenen 
Sclaven konnte von Seiten des Herrn (sowie auch 
jedes anderen, der ein Interesse dabei hatte, Je¬ 
manden als Sclaven anerkannt zu sehen) eine 
änaycoyrj angewendet werden, d^h. man konnte 
den flüchtigen Sclaven auf der Straße oder in 
Wohnungen (ausgenommen find natürlich Orte, 
die das Asylrecht haben) aufgreifen und in feine 
Wohnung bringen (uyeiv, uysiv sig SovXsCav). 
Erhob der Sclave selbst, ober ein dritter, in 
dessen Gewalt er sich gerade befand; dagegen Wi¬ 
derstand (cicpttLQSO[.s, s^aigsag, dcpcaQfio&ixi, 
s^uiQEio&ca), so konnte der äycov eine Stnrj depeu- 
Qscecos anstellen, entweder beim Archon, oder, 
wenn der in Anspruch genommene für einen nicht- 
bürgerlichen Freien galt (vgl. ’Aqx7! — "Aq^ov- 
rfg), beim Polemarchen. Konnte er sein Eigen-| 
thnmsrecht nachweisen, so hatte der Beklagte ihm 
Schadenersatz zu leisten und außerdem an den 
Staat eine Buße zu zahlen. — Eine besondere 
Stellung nahmen in Athen die Staatssclaven 
(oIkszul driiioGioi, drj^öoLoi) ein, die zu niederen 
Verrichtungen im Dienste des Staates gebraucht 
wurden. Solche waren zunächst die s. g. Skythen 
oder Bogenschützen, ein Corps anfangs von 300, 
dann 600, endlich 1200 Mann (von einem gewissen 
Speufinos, der die Errichtung dieses Corps be¬ 
wirkt hatte, auch Speusinier genannt). Sie bienten 
als Gensbarmen ober Polizeisolbaten unb hatten 
ihr Wachthaus anfangs auf bent Markte, später 
auf bent Areopag. Außer ihnen werben noch 
200 Hippotoxoten genannt. Ferner waren bie1 
niederen Diener ber öffentlichen Beamten, Aus¬ 
rufer, Schreiber, Häscher, Büttel, Gefangenwärter, 
Nachrichter u. f. w., meistentheils, bie letzteren 
immer, öffentliche Sclaven, ebenso auch die Arbei¬ 
ter in der Münze. Solche Leute hatten unzwei¬ 
felhaft Eigenthumsrecht, einen eigenen Haushalt 
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und standen in der Fähigkeit Processe zn führen 
wahrscheinlich den Schutzgenossen gleich. Aus dieser 
bevorzugten Stellung läßt sich auch schließen, daß 
sie gewiß nie an einen Privaten verkauft wur¬ 
den. — Die Behandlung der Sclaven war natürlich 
von der Sinnesart des Herrn abhängig; im All¬ 
gemeinen läßt sich indessen nicht, wie schon er¬ 
wähnt, in Abrede stellen, baß bei bett Athenern 
bie Behanblnng ber Sclaven ziemlich milbe war, 
unb daß sie in Athen eine größere Freiheit ge¬ 
nossen als in anderen Staaten. Zum Theil mag 
dies von ber Milde des athenischen Charakters 
herrühren, zum Theil mochte die Klugheit bei der 
ungeheuren Menge der Sclaven eine gewisse Scho¬ 
nung derselben räthlich machen. Tenophon (de rep. 
Ath. 1, 10.) führt als Grunb ber größeren exo- 
laoLcc ber athenischen Sclaven ben Umstaub an, 
daß sie sich in der Kleidung nicht vom Volke un¬ 
terschieden und daher auch Mißhandlungen und 
Schläge von Seiten Anderer wenig zu erdulden 
hatten, da Niemand sich der Gefahr aussetzen mochte, 
einen Bürger zu beleidigen, in der Meinung, es 
mit einem Sclaven zu thun zu haben. Der Zutritt 
zu den Tempeln und Heiligthümern, sowie Theil¬ 
nahme am häuslichen Gottesdienst unb öffentlichen 
Feiern war den Sclaven im Allgemeinen nicht 
verwehrt. — Die Preise der Sclaven waren nach 7 
ihrer Geschicklichkeit und Tüchtigkeit sehr verschie¬ 
den, in Athen gewöhnlich zwischen 1 bis 10 Minen, 
obgleich auch höhere Preise vorkommen. Die Ver¬ 
kaufsplätze hießen u. Der Sclavenmarkt scheint 
gewöhnlich ant Neuntottb {vov^rjvLa) stattgefundn 
zu haben. Arist. JEquit. 43. mit bent Schol. — 
Von ben bitrch Kauf erworbenen Sclaven werben 
noch bie im Hause geborenen (oLxotQsßsg, wenn 
beide Eltern Sclaven find, auch d^icpLSovloL) un¬ 
terschieden. Die Anzahl der Sclaven in Attika 
belief sich in den blühenden Zeiten auf ungefähr 
365000 gegen 90000 bürgerliche Bewohner. — 
Die Stellung ber Sclaven war verschieben nach 8 
beit Verrichtungen unb Diensten, die sie zu leisten 
hatten. Zum Theil hatten sie die häuslichen Ge¬ 
schäfte in der weitesten Ausdehnung zu besorgen, 
den Herrn oder die Frau aus Ausgängen zu be¬ 
gleiten (es galt als Zeichen großer Einfachheit, 
daß die Frau des Phokion sich nur von Einer 
Sklavin begleiten ließ), als TtaiSaymyoi die Er¬ 
ziehung der Knaben zu besorgen, dieselben in die 
Gymnasien und Schulen zn begleiten und zu be¬ 
aufsichtigen. Außer diesen Haussclaven gab es aber 
noch andere, welche außer dem Hause als Hand¬ 
werker und Fabrikarbeiter dienten und eine ver- 
hältnißmäßig freiere und unabhängigere Stellung 
hatten. Sie arbeiteten entweder auf Rechnung des 
Herrn oder hatten von ihrem Erwerb demselben 
j eine Abgabe (djtocpoQci) zu zahlen. So wurden 
die Sclaven in Bergwerke vermiethet gegen eine 
tägliche Abgabe an den Herrn; auch nahmen sie 
für eigene Rechnung Arbeiten in Accord, über¬ 
nahmen auch vielleicht die selbständige Bebauung 
von Aeckern gegen einen dem Herrn zu entrich¬ 
tenden Pachtpreis. Ein Beispiel der andern Art, 
wo die Sclaven unmittelbar auf Rechnung des 
Herrn arbeiteten, haben wir au Demosthenes' 
Vater, der in feiner Waffenfabrik 302 oder 303, 
I in einer Sänftenfabrik 20 Sclaven beschäftigte. — 
Beim Eintritt eines neugekauften Sclaven wurde 9 
Naschwerk (^azaxvG/naza, zQuytjfuxza) ausgestreut 
dovlog. 
Der
	        
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