Contents: Geschichte des deutschen Volkes

18 Entstehung germanischer Völkerbünde. Erste Angriffe auf das Römerreich. § 21—23. 
schen Erb-Verhältnifsen, daß die jüngeren Söhne Waffenhandwerk und Beute 
suchen mußten (§ 16); der alte deutsche Wander- und Abenteuertrieb wirkte 
mit; auch füllte die Pracht und Herrlichkeit des „ewigen Roms" den nordischen 
Sohn der Wildniß mit ehrfürchtigem Staunen und nahm solchem Dienen 
jeden Vorwurf der Schande. So waren durch das ganze römische Reich deutsche 
Söldnerschaaren unter den römischen verbreitet. Es kam vor, daß sich deutsche 
Stämme aus Rom ihren Fürsten erbaten; oder daß ein Kuning mit seinem 
Gefolge, ja daß ein ganzer Volksstamm gegen Land, welches ihm eingeräumt 
wurde, sich den Römern zu Kriegsdienst verpflichtete. Heimkehrend mochte dann 
der germanische Söldner mit seinen Erzählungen neben dem Staunen zugleich 
Begehr nach solcher Herrlichkeit in den Seelen seiner Stammesgenossen wecken, 
die den Fremden gegenüber nur das Recht des Schwertes und der Stärke 
kannten. Und die Zeit kam bald, wo die römische Schwäche offenbar wurde. 
7. Entstehung germanischer Völkerbünde. Erste Angriffe auf 
'das Römerreich. 
§ 22. Schon der letzte der guten Kaiser, Marcus Aurelius (161—180), 
führte lange und nicht glückliche Kriege gegen die Markomannen und Quaden, 
welche die römischen Donauprovinzen bedrohten 166—175, 178—180 it. Chr. 
Nachdem er zu Vindobona (Wien) gestorben, und sein Sohn Commodus ihm 
gefolgt war, (180—192), ging das römische Kaiserreich unaufhaltsam seinem 
Untergang entgegen. Der Thron wurde meist durch Soldatenrevolutionen ge¬ 
wonnen und verloren, die Provinzen sanken durch Bürgerkrieg, Unordnung 
der Verwaltung, Pest und andere Unglücksfälle in namenloses Elend. Bon 
dieser Zeit an erscheinen mehr und mehr die Germanen als Angreifer auf das 
römische Reich und steigern durch kühne, räuberische Einfälle die allgemeine Zer- 
rüttung. Aber auch bei ihnen tritt von dieser Zeit an eine Veränderung ein. 
Es finden sich nicht mehr die kleineren Stämme, die einst Tacitus genannt 
hatte. An ihrer Stelle sind, theils durch Eroberung, theils durch freiwillige 
Verschmelzung, größere. Volksgenossenschaften entstanden. Das alte Gemeinde- 
wefen ist geschwunden, an seiner Stelle finden sich Heeresverfassungen mit 
Heereskönigen an der Spitze, die sich meist aus den alten Gefolgschaften 
(§ 16) entwickelt hatten. Es sind sechs solcher germanischer Völker, die nun 
auf den Schauplatz treten. 
§ 23. Zuerst die Gothen. In der Völkertasel des Tacitus fanden wir 
sie um die Weichselmündungen ansessig; schon damals standen sie unter Königen, 
sie waren mithin ein wanderndes, auf Eroberung ziehendes Volk. Ihre alten 
Sagen, die uns ihr späterer Chronist, Iordanes, ausgezeichnet, lassen sie her- 
stammen von der Insel Skanz, d. i. Skandinavien. Dort, heißt es, drückt 
im Winter das Land eine vierzigtägige Nacht, die Gewässer erstarren vor Eis 
und Schnee, und wenn dann die Wölfe darüber laufen, so erblinden sie. Von 
dort her, wie ein Bienenschwarm ausziehend, kamen die Gothen über das bal- 
tische Meer an die Weichselmündungen. In den weiten Ebenen, welche die 
Sarmaten (§ 9) bewohnten, fanden sie bis zu der römischen Provinz Dacien, 
die Trajan zwischen Donau, Theiß und Dnjestr gegründet hatte, keinen eben- 
bürtigen Gegner. Sie dehnten sich also in dieser Richtung aus, eroberten 
den größten Theil Daciens und erreichten um das 3. Jahrhundert sogar das 
schwarze Meer. Zwischen diesem und der Ostsee lagen nun ihre fast unbe¬ 
grenzten Sitze. Sie theilten sich in Westgothen, südlich und östlich vom 
waldigen Karpathenzuge, und in Ostgothen, in den weiten östlichen Ebenen 
bis zum Dnjepr. Die Ersteren standen unter dem Königshause der Balthen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.