fullscreen: Die Neuzeit (Bd. 3)

Der Teutsch-Frantzösische Modengeist. 
335 
der stoltze / falsche / und liederliche Frantzosen« Geist / welcher uns durch lieb- 
kosende Worte / schmeichlende Reden'/ und mit vielen Versprechungen wie die 
Schlange unsere ersten Eltern in Paradieß gleichsam eingeschläffert / und nach 
und nach uns umb unsere liebe teutsche Freiheit zu bringen bemühet; Wtzil 
er gesehen / daß wir zu seiner liederlichen Art sonderlich inclintren und Be¬ 
liebung tragen. Und dieses zwar durchgehend^ in Teutschland. Denn man 
sehe sich nur ein wenig in grosser Herren Höffe umb; und sehe / ob man noch 
etwas von der alten Teutschen löblichen Sitten (denn alle Sitten durchgehend 
waren auch nicht zu loben) und Gebräuchen finden werde / oder ob nicht alles 
Frantzösisch eingerichtet? Ob man nicht Frantzösische Kleidungen / Sprachen / 
Essen und dergleichen sich angewöhnet? Daß also / wer heute zu Tage an 
einem Hoffe ampluiretx) seyn will / müsse Frantzösisch können und in Frank- 
reich / besonders in Paris, welches gleichsam eine Universität aller Leicht- 
sertigkeit ist / gewesen seyn / wo nicht / so darff er sich keine Rechnung am 
Hoffe machen. Daß es also Heist: 
Wer nicht Frantzösisch tan / 
Der kömmt zu Hoff nicht an. 
Allein dieses alles möchte noch hingehen, wo nur solches nicht auch auff die 
privat-Personett und ben gemeinen Pöbel gekommen. Wenn die Kinder 
kaum 4. oder 5. Jahre zurücke geleget / so werden sie gleich den Französischen 
Moloch aufgeopffert und zu Französischen Galanterien angesühret. In Frank¬ 
reich redet niemand teutsch / außer etroan die Teutschen untereinander / so sich 
darinnen aushalten: Aber bey uns Teutschen ist die Frantzösische Sprache so 
gemein worden / daß an vielen Orten bereits Schuster und Schneider / Kinder 
und Gesinde btefelbige zureden pflegen. Will ein Junggesell heute zu Tage adresse 
haben2), so muß er mit Frantzösischen Minen / Frantzösischen Bärthigen / Frantzö- 
sischenHütigen/Westen /galanten Strümpfen/2c. angestochen kommen; Wenn dieses 
ist / mag er gleich sonst eine krumme Habichts-Nase / Kalbes-Augen / Buckel / 
krumme Beine und dergleichen haben / so fragt man nichts darnach; Gnug, 
daß er sich nach langen lernen a - la mode frans stellen kann. Man hält 
ihn vor einen recht geschickten Kerl / ob er gleich sonst nicht für einer Fleder- 
mauß erudition in Kopff / und an statt des Gehirns Heckerling hat. Er 
ist und bleibt ein Monsieur / bevoraus / wenn er etwas weniges parliren 
fem. Und sind (seit) das Monsieur bei uns eingerissen und eingeschlichen / reden es 
auch itzo alle Mägde / Knechte und Stieffelfchmierer. Solche frantzösische Sprache 
ist also unter uns eingerissen / daß fast keiner solcher entbehren kan / wo er 
anders unter denen Leuten fortkommen will. Wir müssen uns also beklagen: 
Die teutsche Sprach kömmt ab / ein' anb're schleicht sich ein / 
Wer nicht Frantzösisch redt I der muß ein Simpel seyn l 
*) Angestellt. — 2) Als ein weltgewandter Mann angesehen werden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.