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lieben Papa mit mein gegenwärtiges Bitten zu verdrießen, habe ich es lieber schriftlich
thnn wollen. Ich bitte also meinen lieben Papa, mir gnädig zu sein, und kann nach
langem Nachdenken versichern, daß mein Gewissen mir nicht das Mindeste gezeiht hat,
worin ich mir etwas vorzuwerfen haben sollte. Hätte ich aber wider Wissen und Willen
gethan, das meinen lieben Papa verdrossen habe, so bitte ich hiermit unterthänigst um
Vergebung und hoffe, daß mein lieber Papa den grausamen Haß, den ich aus allem
seinem Thun genugsam habe vernehmen können, werde fahren lassen: ich könnte mich
sonsten gar nicht darein schicken, da ich sonsten immer gedacht habe, einen gnädigen Vater
zu haben, da ich nun das Contrair sehen sollte. Ich fasse denn das beste Vertrauen und
hoffe, daß mein lieber Papa diesem allen nachdenken und mir wieder gnädig sein wird,
indessen versichere ich ihn, daß ich doch meine Tage nicht mit Willen fehlen werde und
ungeachtet seiner Ungnade mit untertänigstem und kindlichem Respekt bin meines lieben
Papa getrenester und gehorsamster Sohn
Friedrich."
Der König schenkte der so gut gemeinten Bitte seines Sohnes kein Gehör und
nannte ihn einen weibischen Kerl.
8 Das kam so: Der Kronprinz, welcher den König auf einer Reise nach Süd-
deutschland begleiten sollte, nahm sich vor, denselben bei günstiger Gelegenheit zu ver-
lassen und die Flucht zu ergreifen. Mit seinem Freund Katte, dem er 2000 Thaler
bares Geld, einige Ringe und goldene Dosen in Verwahrung gab, traf er die Verab¬
redung, daß er bis auf weiteres in Berlin bleiben und abwarten sollte, bis der Kronprinz
seine Flucht ausgeführt haben würde. Am 15. Juli 1730 verließ der König mit dem
Kronprinzen und geringem Gefolge Potsdam und traf am 21. in Ansbach ein, woselbst
für einen Tag Aufenthalt genommen wurde. Von hier aus richtete er einen Brief an
den Lieutenant v, Katte nach Berlin, worin er ihm schrieb, er möge die ihm übergebenen
Sachen und alles andere vorausschicken, um bei der Nachricht, daß er, der Prinz, weg-
gegangen, sofort zu Pferde sitzen und ihn einholen zu können; er bezeichnete ihm ein
Schloß des Grafen Rothenburg, wo sie sich treffen wollten. Als man auf der Weiter-
rei'e am 5. August das Dorf Steinfurt bei Heilbronn erreichte, woselbst man in einer
Scheune übernachtete, schien dem Kronprinzen der Augenblick gekommen, seine Flucht von
hier aus zu bewerkstelligen. Er befahl dem Pagen v. Kait, die Pferde zur Flucht bereit
zu halten, doch die Flucht wurde vereitelt; denn die Umgebung des Königs behielt ihn
scharf im Auge. In Mannheim angekommen, drang der Kronprinz abermals in den
Pagen, alles zur Flucht in Bereitschaft zu halten. Kait aber, von Gewissensangst
getrieben, ging zu dem Könige, siel ihm zu Füßen und verriet ihm das Vorhaben des
Prinzen. (Nach Gillwald.)
9 Die Richter erklärten, „daß es ihnen als Unterthanen nicht zukomme, über
Vorfälle zu richten, die in der königlichen Familie stattgefunden. Die Obersten fügten
hinzu, der Prinz sei durch seinen Arrest schon hinreichend bestraft; die Oberstlieutenants,
in den Kriegsartikeln fei nichts enthalten, was auf diesen Fall Anwendung finden könne,
fo wie sie sämtlich nicht unerwähnt ließen, daß der Kronprinz sich ganz und gar der
Gnade seines Königs und Vaters unterwerfe." Der König war mit dem Urteil des
Kriegsgerichts nicht einverstanden und wollte aus eigener Macht das Todesurteil über
den Kronprinzen aussprechen, doch hohe Offiziere und selbst der deutsche Kaiser ver-
wandten sich für ihn, und ein Major v. Buddenbrock rief, seine Brust entblößend, aus:
„Wenn Eure Majestät Blut verlangen, so nehmen Sie meines; jenes bekommen Sie
nicht, fo lange ich noch sprechen darf!" — Auch die Oberhofmeisterin der Königin, die
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