Full text: Das Altertum (Teil 1)

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Dieser Schritt des Klisthenes war eine wichtige Neuerung; denn die Alten 
faßten wie alle Völker auf einer früheren Stufe der Entwicklung den Staatsverband 
im Grunde nur als einen erweiterten Familienverband. Daher schaffte denn auch 
Klisthenes die 4 alten Phylen nicht geradezu ab, sondern beließ ihnen wenigstens 
die religiöse Bedeutung für die Angehörigen. 
In die 10 neuen Phylen wurden auch viele bisherige Metöken und Unfreie 
als Neubürger aufgenommen. Der Wohnort einer Familie zur Zeit des Klisthenes 
war auch später maßgebend für die Einordnung der Bürger in die einzelnen Deinen, 
welche demnach nicht immer mit dem jeweiligen Wohnort der Bürger zusammenfielen! 
Da zudem die 10 Deinen einer Phyle nicht beisammenlagen, so war die Bildung 
von Landsmannschaften (nach Art der früheren Diakrier, Pediäer und Parater) 
für immer verhütet. 
b) Da jede der 10 Phylen 50 Ratsherren wählte, so bestand der 
Rat fortan aus 500 Mitgliedern. 
Die 50 Ratsherren einer Phyle leiteten je ein Zehntel des Jahres die Ge- 
schäfte, sie waren immer zur Stelle, speisten im Prytaneum und hießen die Pry^ 
tanen (v. ngcörog)] einer der Prytanen wurde jeden Tag durchs Los zum Vor- 
sitzenden (tniarärfig) gewählt; derselbe führte dann auch den Vorsitz in der Volks¬ 
versammlung 1 und verwahrte das Staatssiegel sowie die Schlüssel zur Burg und 
zum Staatsschatz. 
c) Um eine Wiederkehr der Tyrannis zu verhüten, bestimmte Klisthenes, 
daß jeder der Freiheit des Staates gefährliche Bürger durch Volksabstimmung 
mittels Scherben {ogtqc/.xov) auf 10 Jahre aus Athen verbannt werden 
konnte. 
* Einem Mißbrauch des Scherbengerichtes war dadurch vorgebeugt, daß 6000 
verurteilende Stimmen zur Verbannung eines Bürgers nötig fein sollten. Eine 
solche Verbannung galt übrigens nicht als entehrend, sondern war nur eine Sicher- 
heitsmaßregel, etwa vergleichbar der Ausweisung von Thronprätendenten in 
einer Republik. Am häufigsten wurde der Osirakismus angewendet, wenn zwei 
Männer um den Einfluß im Staate stritten. Das Volk entschied dann durch seine 
Abstimmung, daß der eine zu weichen habe. Nach dem peloponnesischen Krieg kam 
der Ostrakismus ab. 
1 In jeder Prytanie fanden vier ordentliche (y.v^'ai) Volksversammlungen statt, 
also 40 im Jahre; erforderten es die Umstände, so wurde eine außerordentliche Versamm¬ 
lung berufen. Die Volksversammlung wurde mit Gebet und Opfer eröffnet. Im Gegen- 
satz zu Sparta war in Athen jeder Bürger berechtigt zu reden; die Redner bestiegen die 
Rednerbühne (to ßfaa.) bekränzt. Über den Ort der Volksversammlung vgl. S, 54; über 
die Gegenstände der Beratung S. 59, 3.
	        
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