70 Das Mittelalter. Christlich-germ. Staaten auf dem Boden des röm. Reiches.
die englisch-normannischen Könige nach der Krone der französischen Kapetinger
greifen sehen.
5. Die ostfränkischen (deutschen) Karolinger (840—911). Ausbildung
der Stammesherzogtümer. Konrad von Iranken (911—918).
Das Ludwig dem Deutschen zugefallene Gebiet hieß in der amtlichen
Sprache Ostfranken (regnum Franciae orientalis). Des Königs Beiname
stammt erst aus dem 18. Jahrhundert. Für die verschiedenen Länder und
Stämme seines Reiches gab es keinen gemeinsamen Namen; sie bildeten noch
keine Nation. Die gemeinsame Sprache aber des Polles (diota, diet)
hieß im Gegensatz zu der lateinischen und romanischen die theodisca, diu-
tisca, die deutsche Sprache. Die Bezeichnung derselben als die der Teu-
tonen beruht auf gelehrter Erfindung, freilich schon des 11. Jahrhunderts.
Der Begriff Germania war rein geographisch, nicht ethnographisch, wie
später Alemannia. Die romanischen Völker bezeichnete man als Welsche
(b. i. ursprünglich G-alli oder Volcae), dann verächtlich von den Fremden
überhaupt gebraucht, nicht aber von den Wenden. Das Bewußtsein der
nationalen volitischen Einheit unter den deutschen Völkern entwickelt sich erst
seit der sächsischen Dynastie und erscheint unter den Hohenstaufen durch-
gedrungen; offiziell nennt sich erst Max I. König von Deutschland (Ger-
maniae rex).
Ludwig der Deutsche hat, wie oben dargestellt, den Versuch gemacht,
das fränkische Reich unter seiner Herrschaft zu einigen; da ihm dies nicht
gelang, hielt er durch stete Verlegung der Pfalz die Verbindung mit und
unter den Stämmen des eigenen Reiches aufrecht, hatte aber durch Abfall
seiner Söhne Karlmann und Ludwig und deren hochverräterischen Bund mit
den Sladen für sein eigenes unkindliches Benehmen zu büßen. Das Empor-
streben der weltlichen Vasallen bedrohte die Geistlichkeit in ihrem Besitze
und Recht so gut wie das Königtum, welches daher an ersterer eine wirkliche
Stütze besaß, ganz abgesehen davon, daß die kirchliche Organisation einen
Zusammenhalt bildete. Ludwig selbst aber hatte auch mehr Kraft und Klug-
heit als sein gelehrter Bruder an der Seine und brachte 872 die Unruhigen
zum Gehorsam. Sein ältester Sohn Karlmann erhielt Bayern mit den öst-
lichen Marken und den tributpflichtigen Slaven (865), der zweite, Ludwig,
Sachsen, Thüringen und Ostfranken im engern Sinne, Karl Alemannien und
Churwalchen, den nördlichen Teil Rätiens.
Unter den Slaven war der Mährenherzog Rastislaw ein sehr gefähr-
licher Gegner, weil er die benachbarten Slavenstämme unter seiner Herrschaft
vereinigte und mit den Bulgaren sowie mit dem byzantinischen Kaiser Bündnisse
schloß. Von letzterem erbat er sich auch, um nicht in Abhängigkeit von seinen