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Geschichte des Herzogtums Preußen.
Die alten, heidnischen Preußen wohnten zur Zeit, als die Wenden das
Gebiet der späteren Mark Brandenburg inne hatten, zwischen Weichsel und
Memel. Unwirtlich und rauh war dieses weite Sumpf- und Niederungs¬
land ; aber schon die alten Griechen und Römer kannten es, weil sie von der
preußischen Ostseeküste auf dem Wege des Handels den Bernstein erhielten.
Die Bewohner waren slavisch-litauischer Abstammung; sie hatten jedoch
in ihren Sitten und Gebräuchen viel Ähnlichkeit mit den alten Deutschen (S. l).
Sie hießen Preußen, weil sie bei den Russen wohnten. (Preußen —
Po Reußen — bei den Russen.)
Alle Versuche, bei dem wilden Preußenvolke das Christentum einzuführen,
schienen zu scheitern. Der heilige Bischof Adalbert von Prag war ihr
erster Glaubensbote, fand aber 997 bei Fifch hausen in der Nähe der
Ostseeküste den Tod als Märtyrer; dasselbe Schicksal erlitt 1008 der Mönch
Bruno von Querfurt. Die angrenzenden Völker hatten längst das
Christentum angenommen und litten schwer unter den verwüstenden Einfällen
der Preußen. Da rief im 13. Jahrhundert der Herzog Konrad von
M a s o v i e n auf den Rat des Bischofs Christian vonOliva den deutschen
Ritterorden (S. 34) herbei, das Land der Prenßen zu erobern und dauernd
in Besitz zu nehmen. Den Rittera dieses Ordens gelang es nach langen,
harten Kämpfen, das ganze Preußenland zu unterwerfen und zu bekehren
(1230—1283).
Im Jahre 1230 fandte der Ordenshochmeister Hermann von Salza
eine kleine Schar tapferer Ritter unter dem erfahrenen Kriegsmanne Her¬
mann Balk nach Preußen, um mit dem Schwerte Bahn zu brechen; bald
gesellten sich ihnen zahlreiche Kreuzfahrer bei, um Hilfe zu leisten. Schritt
für Schritt drangen die mutigen Ordensritter tiefer in das Land hinein,
Burgen erhoben sich zur Sicherung der eroberten Landesteile. Den Rittern
folgten auf dem Fuße die Priester, um die christliche Lehre zu verbreiten;
um die Burgen entstanden unter den Händen der nachfolgenden deutschen
Ansiedler Städte und Dörfer ^Thorn, Kulm, Elbing, Graudenz, Braunsberg
u. a.). 1254 führte König Ottokar von Böhmen, der Gegner von Rudolf
von Habsburg, (S. 36) dem Orden ein starkes Kreuzheer zu und drang bis
an die Küste des bernsteinreichen Ganes Samland vor. Dort erbaute er am
Pregel eine Burg, nach ihm Königsburg genannt; die sich später anschließende
Stadt erhielt den Namen Königsberg. Die Befestigung der Herrschaft
bot dem Orden aber noch viele Schwierigkeiten. Wiederholt erhoben sich die
trotzigen Preußen, unterstützt von den heidnischen Bewohnern des unzugäng¬
lichen Litauen, und erst nach 53jährigen Kämpfen war ihre Kraft gebrochen.
Nun gewannen deutsche Sitte und deutsche Sprache die Oberhand, und deutscher
Fleiß und deutsche Arbeitskraft gereichten dem Lande zu großem Segen.
Im Jahre 1309 wurde der Hauptsitz des Ordens, der zuerst in Accon
und dann in Venedig gewesen war, nach Marienburg am rechten Ufer der
Nogat verlegt. Von hier aus führten die Hochmeister des Ordens über 100
Jahre lang strenge Herrschaft zum Segen für das Land. Handel und Ge¬
werbe blühten empor und begründeten den Wohlstand und das Lebensglück
der Bewohner. Die Regierungszeit des Hochmeisters Winrich von Knip-
rode (1351—1382) wird das goldene Zeitalter Preußens genannt. Ununter¬
brochen dauerten während seiner Regierung die Kriegszüge gegen die Litauer,
und viele edle Ritter kamen aus den Ländern des Westens und Südens nach
der Marienburg, um in diesen Kämpfen Ruhm und Ehre zu erwerben. Dabei
blühte das Land immer mehr aus, die größeren Städte schlossen sich sogar
-der Hansa an und dehnten ihren Handel weit aus.