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Krieger bildeten, sondern auch dem Körper Schönheit und Anmut der
Bewegungen verliehen. Daneben wurde für die geistige Ausbildung in her-
vorragender Weise gesorgt. Von besonderer Bedeutung war für den jungen
Athener die Kunst der Beredsamkeit, weil jeder, der sich der Staatsverwal-
tung widmen und höhere Staatsämter bekleiden wollte, sein Ziel dadurch
am sichersten erreichte, daß er sich in der Volksversammlung als Redner
auszeichnete. Wer die Kunst der Rede besaß, der konnte meistens das
Volk für seine Absichten und Pläne gewinnen. Ferner wurde mit Vorliebe
die Musik geübt, und sie stand in sehr hohem Ansehen. So z. B. rechnete
man es dem berühmten Themistokles, den wir noch näher kennen lernen
werden, zur Schande an, daß er nicht die Laute spielen konnte. Während
die Spartaner sich nur mit kriegerischen Übungen beschäftigten, mußte in
Athen jeder Bürger irgend eine Kunst, ein Gewerbe betreiben, um nötigen-
falls seinen Lebensunterhalt gewinnen zu können. Müßiggang war ver-
boten und strafbar.
Durch diese Einrichtungen des Solon wurden die herrschenden Übel-
stände beseitigt, die schlummernden Kräfte der Bürger geweckt, ein löblicher
Wetteifer bei allen hervorgerufen, und der Staat gelangte in kurzer Zeit
zu hoher Macht und Blüte. Solon war es also, der den Grund gelegt
hat, daß Athen nicht blos der erste Staat Griechenlands wurde, sondern
auch wegen, seiner hohen Bildung in allen Zweigen der Wissenschaft und
der Kunst für alle Zeiten und Völker einen hervorragenden Platz einnimmt.
Doch hielt Solon seine Gesetze nicht für so unverbesserlich gut, daß er für
sie wie Lykurgos in Sparta eine immerwährende Geltung beansprucht hätte.
Deshalb ließ er die Athener nur schwören dieselben zehn Jahre lang un¬
verändert beibehalten zu wollen.
Aus den Reisen, die Solon nach Beendigung seiner Gesetzgebung unter-
nommen, soll er auch zu Kroisos, dem Könige von Lydien gekommen sein
und mit demselben eine merkwürdige Unterredung gehabt haben. Nachdem
der König, der einen unermeßlichen Reichtum besaß, ihm seine Schätze
hatte zeigen lassen, fragte er den Solon, ob er irgend einen glücklicheren
Menschen auf Erden gefunden habe, als ihn. Da nannte Solon zuerst
den Athener Tellos wegen seines durchaus glücklichen Lebens und seines
ruhmvollen Todes. Darauf fragte der König, ob er ihm denn nicht nach
diesem den ersten Platz einräume? Solon verneinte dies, indem er den
zweiten Platz den beiden Jünglingen Kleobis und Biton in Argos zuer¬
kannte. Zuletzt erklärte ihm Solon, daß überhaupt niemand vor dem Tode
glücklich gepriesen werden könne. Kroisos war unwillig darüber, daß Solon
ihm, dem reichen und mächtigen Könige, gewöhnliche Bürger vorzog. Als
er aber später von dem Perserkönige Kyros besiegt und zum Feuertode
verurteilt wurde, da erinnerte er sich, als er schon auf dem Scheiterhaufen
stand, an den Ausspruch des Solon, den er jetzt als richtig anerkennen