I.
Von den früheren Bewohnern nnsres Vaterlandes.
Bereits vor der Regierung des römischen Kaisers Augnstus lebten
nördlich des vom Riesen- und Erzgebirge, sowie von dem Thüringer
Walde gebildeten Gebirgszuges die Hermunduren, ein den Sneven
angehörender deutscher Volksstamm. Wir finden seinen Namen, wel-
cher durch „große Gebirger", d. h. Anwohner der großen Gebirgskette
erklärt wird, in veränderter Form jedenfalls im Namen „Thüringen"
wieder, der in der Kanzleisprache der sächsischen Regierung bis zum
Jahre 1815 auch „Düringen" geschrieben ward. Die Hermunduren
sind demnach die ältesten bekannten Bewohner unsres Vaterlandes.
Wie weit sie sich nach Norden, wo sehr wahrscheinlich die hauptsächlich
rechts der Elbe, jedoch auch teilweise links derselben seßhaften Sem-
nonen ihre Nachbarn waren, ausgebreitet hatten, läßt sich mit Sicher-
heit nicht sagen. Ihre südlichen Nachbarvölker waren in Bayern und
dem Vogtlande die Barisker, in Böhmen dagegen Markomannen.
Als in den Jahren 8 bis 5 vor Christi Geburt der Markomanne
Marbod ein großes Suevenreich gründete und sich die Hermunduren
ihm nicht unterwerfen wollten, zogen diese nach dem jetzigen Franken
und Nordschwaben, und ihre Wohnsitze nördlich des Erzgebirges wur-
den von den Teuriochaimen, d. h. den längs des Gebirges Heimischen,
die unzweifelhaft ebenfalls suevischen Stammes, aber nicht die alten
Hermunduren waren, eingenommen. Als die suevischen Stämme,
unter denen nach der Vernichtung von Marbods großem Reiche im
Jahre 19 nach Christi Geburt die Hermunduren wieder über die üb-
rigen und darunter auch die Teuriochaimen eine gewisse Oberherrlich-
keit erlangt hatten, ihre Wohnplätze verließen, um die Grenzen des
Römerreiches zu überschreiten und selbst bis nach Spanien vorzu¬
bringen, da rückten später slavische Völker in die verlassenen Gebiete
ein, was vermutlich von der zweiten Hälfte des 5. bis zur ersten des
6. Jahrhunderts geschah. Seit der Mitte des 5. Jahrhunderts aber
Das Königr. Sachsen und seine Fürsten. 2. Aufl. 1