Full text: Geschichte für katholische Schulen (H. 12)

A. Mittelstufe. Lektion 3. Rudolf von Habsburg. 17 
dieser Fürsten sieben; sie wurden Kurfürsten, d. h. Wahlfürsten, genannt. Zu 
diesen Kurfürsten gehörte auch der Erzbischos von Mainz. Dieser empfahl den 
übrigen Kurfürsten die Wahl des Grafen Rudolf von Habsburg; er nannte die¬ 
sen Grafen den würdigsten unter den deutschen Fürsten. Der Erzbischos hatte 
den Grafen auf einer Reise kennen gelernt, die er nach Rom unternahm. 
Sein Weg führte ihn hierbei durch die Schweiz. Hier lagen die Güter des 
Grafen Rudolf; an der Aar, einem Nebenflusse des Rheines, erhob sich das 
Stammschloß seines Geschlechtes, die Habsburg. Als der Erzbischos auf seiner 
Fahrt in das Gebiet des Grafen Rudolf kam, empfing ihn dieser ehrfurchtsvoll; 
er begleitete den Erzbischos durch die Schweiz und schützte ihn vor Gefahren, 
welche in jenen kriegerischen Zeiten dem Wanderer drohten. Auch bei seiner 
Rückreise hatte der Erzbischos dem Grafen in derselben Weise Schutz und Hilfe 
zu verdanken. Da hatte denn der Erzbischos den Grafen Rudolf dankbar in 
gutem Andenken gehalten. 
c. In dieser guten Meinung wurde der Erzbischos später noch bestärkt. Zu 
Mainz lebte in der Umgebung des Erzbischoses ein Priester, welcher sich ehedem 
in der Schweiz aufgehalten hatte. In der Schweiz war derselbe einst zu einem 
Kranken gerufen worden, auf daß er demselben die heiligen Sterbesakramente 
spendete. Aus dem Wege dorthin gelangte er an einen Bach, welcher durch an- 
haltende Regengüsse stark angeschwollen war. Das Wasser des Baches war über 
die Ufer getreten und hatte die schmale Holzbrücke, welche von Ufer zu Ufer 
führte, mit sich fortgerissen. Da wollte der Priester den hochangeschwollenen 
Bach durchschreiten. In diesem Augenblicke kam Graf Rudolf heran, welcher 
zur Jagd ausgeritten war; er sprang von seinem Roß und kniete anbetend vor 
dem Sakramente, welches der Priester in den Händen hielt, nieder. Dann hob 
er den Priester auf sein Roß, leitete dasselbe durch den Bach und schritt ent- 
bläßten Hauptes nebenher bis zur Hütte des Kranken. Das Pferd schenkte der 
Graf dem Priester; er hielt sich nicht mehr für würdig, das Roß zu besteigen, 
nachdem dasselbe den im Sakramente gegenwärtigen Herrn des Himmels und 
der Erde getragen hatte. Jener Priester aber wußte den Grafen Rudolf überall 
seiner Frömmigkeit wegen nicht hoch genug zu preisen. 
II. Die Königswahl. a. Als es im Jahre 1273 zur Königswahl 
kam. da erinnerte sich der Erzbischos von Mainz des Grafen Rudolf wieder. Er 
selbst hatte es erlebt, daß derselbe die Schwachen und Bedrängten beschützte; er 
hatte es erfahren, daß derselbe ein Mann von wahrhaft frommem Sinne war. 
Da war er denn überzeugt, daß ein solcher Mann auch ein guter König sein 
werde, welcher alle Hoffnungen des deutschen Volkes erfüllen würde. Die Kur¬ 
fürsten hörten auf den Rat des Erzbischoses und wählten den Grafen Rudolf 
von Habsburg zum Könige von Deutschland. Im Dome zu Aachen fand nach 
alter Sitte die feierliche Krönung statt. Als dabei die deutschen Fürsten dem 
Könige den Eid der Treue leisten sollten, fehlte das Scepter. Es war dies ein 
kurzer, aus Gold und Silber künstlich gearbeiteter Stab, welchen die Könige bei 
feierlichen Gelegenheiten als Zeichen ihrer Würde und Macht in der Hand hiel- 
ten. Bei ihrem Treueid sollten die Fürsten die zum Schwur emporgehobenen 
Finger der rechten Hand auf das Scepter legen; so war es Brauch von altersher. 
Als nun das Scepter nicht aufgefunden werden konnte, nahm Rudolf schnell 
entschlossen das Kreuz vom Altar mit den Worten: „Dies Zeichen, durch wel- 
ches die Welt erlöset worden ist, wird wohl die Stelle eines Scepters vertreten 
Sprockhofs, Vorbereitungen. Heft 12. 2
	        
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