Full text: Geschichte für katholische Schulen (H. 12)

A. Mittelstufe. Lektion 3. Rudolf von Habsburg. 19 
Rudolf hatte den einen Krug bereits an seine dürstenden Lippen gesetzt; doch 
ohne zu trinken, reichte er den Krug zurück und befahl den Rittern, jenen Schnit- 
tern das geraubte Wasser zurückzubringen, mit den Worten: 
„Wenn beraubt die Armen dürsten, 
Ziemt zu trinken nicht dem Fürsten." 
IV. Einfachheit des Königs. König Rudolf war allezeit ein gar ein- 
fach er Mann. Königliche Pracht verschmähte er. Auch in seinen Mahlzeiten 
liebte er die größte Einfachheit. Auf seinen Heereszügen ging er wohl, wenn 
der Hunger ihn plagte, in das erste beste Rübenfeld und zog sich eine Rübe 
aus, welche er dann verzehrte, um seinen Hunger zu stillen. Er kleidete sich ein- 
fach; am liebsten trug er ein schlichtes, graues Wams. Manchmal hat er sich 
dasselbe, im Lager mitten unter den Kriegern sitzend, mit eigenen Händen ge- 
flickt. König Ottokar von Böhmen, einer der Feinde Rudolfs, hatte denselben 
häufig seiner schlichten Kleidung wegen verspottet. Als aber Ottokar im Kriege 
unterlag, kam er ins Lager Rudolfs, um sich demselben zu unterwerfen. Otto- 
kar erschien in königlicher Pracht: Auf dem Haupte trug er die goldene Königs¬ 
krone; seine Kleidung schimmerte von Gold und Edelstein. Rudolf saß in 
seinem alten, grauen Wams auf einem gewöhnlichen Holzstuhl vor seinem Zelte. 
Da mußte sich Ottokar in all seiner Pracht vor ihm aus die Kniee niederlassen 
und dem Könige vor den Augen des ganzen Heeres in dieser Stellung den 
Treueid schwören. Und Rudolf sprach zu ihm: „Ottokar, oft hast du meines 
grauen Rockes gespottet; jetzt hat derselbe dich in all deinem Glänze beschämt." 
V. Rudolfs Leutseligkeit. König Rudolf verkehrte gern mit seinen 
Unterthanen; freundlich hörte er auch den geringsten derselben an und half ihm 
liebreich, so gut er konnte. Einst wiesen seine Diener einige arme Leute, welche 
dem Könige ein Bittgesuch vortragen wollten, zurück. Rudolf aber verbot ihnen 
dies und sprach: „Ich bin nicht König geworden, um mich vor den Menschen zu 
verbergen." — Gar manchen Scherz machte der König im Umgang mit seinen 
Unterthanen. Ein Bettler drängte sich einstmals an ihn heran und rief: „Herr 
König, schenkt mir doch 100 Goldstücke, derweil ich ein Vetter von Euch bin?" 
Da fragte ihn der König, woher denn diese Verwandtschaft komme. Und der 
Bettler antwortete: „Von Adam und Eva her!" Da gab ihm der König einen 
Pfennig mit den Worten: „Laß dir von jedem deiner Vettern ebensoviel schen- 
ken, dann wirst du reicher sein als ein König." — Rudolf wurde aber auch nie 
unwillig, wenn andere über ihn scherzten. Als er einst durch eine enge Gasse 
ging, begegnetete ihm ein Bauersmann, welcher spottend dem Könige zurief: 
„Ei, was für eine große Nase habt Ihr doch; man kann ja an ihr gar nicht 
vorbeikommen!" Da wandte der König den Kops zur Seite und sprach lachend : 
„Jetzt wirst du wohl Platz genug haben!" 
VI. Des Königs Tapferkeit. Noch ein zweites Mal mußte Rudolf 
gegen Ottokar von Böhmen zu Felde ziehen. Nördlich von Wien dehnt sich aus 
dem linken Ufer der Donau eine große Ebene aus, welche von der March, einem 
Nebenflusse der Donau, durchströmt wird. Diese Ebene heißt „das Marchfeld". 
Hier stießen die feindlichen Heere im Jahre 1278 aufeinander. Mutig führte 
König Rudolf sein Heer in den Kampf gegen die an Zahl weit überlegenen 
Scharen Ottokars. Zum Schlachtgeschrei für seine Krieger hatte Rudolf im Ver¬ 
trauen auf den Beistand Gottes den Ruf: „Christus! Christus!" gewählt. Unter 
dem Absingen des Liedes: 
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