Full text: Das Neunzehnte Jahrhundert (Bd. 3)

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französischen Botschafter in Berlin, hat Bismarck seinen Standpunkt 
kurz und deutlich zum Ausdruck gebracht. Er sagte: „Sie müssen 
es doch wissen, dass für uns die Abtretung deutscher Erde eine 
Unmöglichkeit ist. Liessen wir uns zu dergleichen herbei, so hätten 
wir trotz aller Triumphe Bankerott gemacht. Vielleicht könnte 
man andere Wege finden, Sie zu befriedigen; aber wenn Sie auf 
diesen Forderungen bestehen, so gebrauchen wir — darüber täuschen 
Sie sich nicht — alle Mittel. Wir rufen nicht bloss die deutsche 
Nation in ihrer Gesamtheit auf, sondern wir machen auch sofort 
Frieden mit Österreich, auf jede Bedingung, überlassen ihm ganz 
Süddeutschland, lassen uns selbst den Bundestag wieder gefallen. 
Aber dann gehen wir auch vereinigt mit 800 000 Mann über den 
Rhein und nehmen Euch den Eisass ab. Unsere beiden Armeen 
sind mobil, die eurige ist es nicht; die Folgen denken Sie sich 
selbst.“ — Ebenso fest blieb Bismarck Russland gegenüber. Un¬ 
möglich, meinte er, könne Preussen, nachdem es den Krieg mit 
Gefahr des Daseins habe führen müssen, die schwer erkauften Vor¬ 
teile von der Entscheidung eines Kongresses abhängig machen. 
Auch Russland gegenüber drohte Bismarck, dass er im Notfälle die 
volle nationale Kraft Deutschlands und der angrenzenden Länder 
zum Widerstand entfesseln werde. Kurz, Bismarck wusste die 
Selbständigkeit der preussisch-deutschen Staatskunst nachdrücklich 
zu wahren. Napoleon und Alexander zogen ihre Forderung zurück 
und erklärten, dass die Ablehnung derselben durch Preussen die 
bisherigen guten Beziehungen nicht getrübt habe. — Das Ansinnen 
Russlands und Frankreichs hat Bismarck übrigens veranlasst, die 
Friedensunterhandlung mit Österreich möglichst zu beschleunigen. 
Er wollte mit Österreich abgeschlossen haben, wenn die Verwicklung 
mit Russland und Frankreich drohendere Gestalt annehmen sollte. 
So kam es, dass Sachsen den preussischen Wünschen entgegen in 
seinen alten Grenzen bestehen blieb. 
Die Folgezeit. 
Nach dem Kriege wurden Schleswig-Holstein, Hannover, Kur¬ 
hessen, Nassau und Frankfurt dem pxeussischen Staate einverleibt. 
Die übrigen Staaten Norddeutschlands, auch Oberhessen, bildeten 
mit Preussen zusammen den norddeutschen Bund. Die Gesetz¬ 
gebung für den Bund ward zwischen dem Bundestag und dem 
Reichstag geteilt. Die ausübende Gewalt besass der Bundestag 
unter Leitung des Königs von Preussen. Der König von Preussen 
war auch Oberbefehlshaber über alle Truppen der verbündeten 
Mächte. (Auf die Verfassung des norddeutschen Bundes soll weiter 
hier nicht eingegangen werden. Sie stimmt mit der Verfassung des 
neuen deutschen Reiches überein: s. u.) 
Aber die unnatürliche Trennung durch den Main konnte nicht 
Bestand haben. Freilich durfte man nicht daran denken, die Süd¬ 
staaten in den Nordbund aufzunehmen. Aber mit Bayern, Württemberg 
und Baden schloss Preussen je ein geheimes Schutz- und Trutz-
	        
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