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die Kartoffeln wollten sie wieder ausgraben,- der König ließ aber die
Felder durch Gendarmen bewachen. Wie segensreich der Anbau der
Kartoffeln war, zeigte sich, als 1770 wegen Mißernte eine Hungersnot
in Aussicht stand. Damals gab es in Preußen noch viele Landstriche,
die nicht bebaut werden konnten, z. B. den Oderbruch. Der König
ließ denselben entwässern und gründete dort 41 neue Dörfer. Da
sagte er: „Hier habe ich mitten im Frieden eine Provinz gewonnen."
Von den Gewerben blühte namentlich die Leinwand- und Tuchfabrikation.
Vorzüglich in Schlesien wurden dieselben betrieben. Ihnen gewährte
der König die größte Fürsorge. Jeder einwandernde Weber erhielt
einen Webstuhl geschenkt. Spinner, Weber und Bleicher gaben nur
geringe Steuern. Das tägliche Brot verschaffte er ihnen stets zu
gleichem Preise; denn in billigen Iahren füllte er die Vorratshäuser,
in teuren öffnete er sie. Die Landwirte wurden gezwungen, viel
Flachs zu bauen. Die Lehrerfrauen in Schlesien mußten die Kinder
im Spinnen unterweisen, und ein Knecht unter 30 Jahren durfte
nicht heiraten, wenn er das Spinnen nicht erlernt hatte. Mit Lein¬
wand und Wolle wurde auch ein lebhafter Handel getrieben, von
dem die Kaufleute der großen Städte lebten. Die schlesische Leinwand
wurde bis nach Italien, Spanien und Amerika verkauft. Kaufleute,
welche die großen Messen in Frankfurt a. M. und Braunschweig be-
suchten, erhielten vom Könige Prämien. Zur Beförderung des
Handels ließ Friedrich auch Kanäle bauen, z. B. den Finow-Kanal.
Der Lauf der Oder, die früher bedeutende Krümmungen machte,
wurde abgekürzt. (Daher gibt es au vielen Orten heute noch eine
„alte Oder.") In die Zeit Friedrichs des Großen fällt auch der
Aufschwung des oberfchlefifchen Bergbaus, der Oberschlesien zu
einem der wichtigsten Gebiete des preußischen Staates gemacht hat.
An die Spitze des von Reichenstein nach Breslau verlegten Bergamtes
trat der Graf Reden, der, obwohl erst 27 Jahre alt, doch mit außer-
ordentlichem Scharfblick die Mineralschätze Oberschlesiens zu erschließen
begann. Namentlich gewann der Steinkohlenbergbau, der bis dahin
noch ganz unbedeutend war, eine große Ausdehnung. Reden unter-
stützte die Unternehmer durch Ratschläge, Zeichnungen, sachkundige
Arbeiter und auch durch Geld. Der König bewilligte 1774 die Mittel,
um den Bleibergbau in Tarnowitz wieder zu eröffnen; die Grube
wurde dem König zu Ehren „Friedrichsgrube" genannt. Zur Be-
kämpfung der eindringenden Wassermengen wurde in England die erste
Dampfmaschine bestellt, deren Aufstellung der König aber nicht mehr
erlebt hat. Schon zu Redens Zeiten lebten von dem Bergbau in
Oberschlesien gegen 45000 Menschen.*) Endlich wachte der König mit
*) Welch' rasche Fortschritte der oberschlesische Jndustriebezirk unter der
preußischen Verwaltung gemacht hat, zeigen folgende Angaben: Im Jahre 19UO
betrug die gesamte Gewinnung an Steinkohlen, Erzen, Eisen, Stahl, Zink,
Blei, Silber, Koks, Cinder und Schwefelsäure über 29,3 Millionen Tonnen:
131427 Arbeiter und Arbeiterinnen fanden dabei ihr Brot, und mehr als