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Recht und .Gerechtigkeit ins Land zu bringen und diesem da-
mit aufzuhelfen, richtete man besondere Gerichte ein — die
Femgerichte.
a) Sie befaßten sich ausschließlich mit Vergehen und Ver-
brechen, auf denen Todesstrafe stand. Geistliche, Frauen und
Juden gehörten niemals vor die Feme, wohl aber Ritter und
Grafen, ja selbst Könige und Kaiser. Das Verfahren war öffent-
lich, mündlich mit Anklage und Eid.
b) Die Feme war die Fortsetzung der alten Gaugerichte Karls
des Großen. Während in andern Gegenden das Gericht auf
die Grundherren und Fürsten Abergegangen war, blieb die Ge¬
richtsbarkeit über die Vollfreien auf dem Winkel zwischen Rhein
und Weser (im Lande der roten Erde) bestehen. Der Inhaber
(Richter) wurde Stuhlherr genannt. Er übertrug die Ab-
Haltung des Freigerichts einem ständigen Vertreter, den man
Freigraf nannte. Er erhielt vom Kaiser die Machtbefugnis über
Leib und Leben des Verurteilten.
c) Das Gericht fand am Tage auf dem Markt vor dem
Rathause statt. Die sieben Schöffen setzten sich auf die Richter-
bauk. Vor dem Freigrafen lag ein blankes Schwert und ein
aus Weiden geflochtener Strick.
d) Die Ladung geschah durch Fronboten oder zwei Schöffen.
Fürchtete man Gefahr, so konnte sie auch wahrend der Nacht
stattfinden. In diesem Falle heftete man sie an das Tor. Er-
schien der Geladene nach dreimaliger Vorladung nicht, so ver-
wandelte sich das offne Ding in die heimliche Acht. Alle
Nichtwissenden mußten sich vom Platz entfernen. Kam jemand
dieser Aufforderung nicht nach, so hängte man ihn an den ersten
besten Baum.
e) Einem Schöffen fiel die Rolle des Anklägers zu. Fehl-
ten die Eideshelfer, so sprachen die Schöffen nach kurzer Be-
ratung das Schuldig aus. Der Nichterschienene verfiel dem
sichern Tode; allen Wissenden lag die Pflicht ob, die über ihn
ausgesprochene Acht zu vollziehen.
f) Zur Zeit ihrer Blüte hatte sich die Feme über das
ganze Deutsche Reich ausgebreitet. Mitwissende gab es in fast
allen Orten, zusammen etwa 100 000.