Metadata: Präparationen für den Geschichts-Unterricht in der Volksschule

— IV — 
Im Gegensatz zur..privaten Moral handelt es sich hier um die 
öffentliche, um die Übertragung der moralischen Maximen auf das 
öffentliche Leben der Gesamtheit. Mit allgemeinen Moralsätzen 
laffen sich aber solche Urteile nie prägnant ausdrücken; solche Fas¬ 
sungen sind zu weit. Abgesehen davon, daß es über die geschicht¬ 
lichen Tatsachen auch noch andere Urteile zu fällen gibt als bloß 
moralische. Ferner sind solche Einsichten nicht Früchte, die sehr 
schnell wachsen und reifen und die man schon am Schluffe jeder 
Unterrichtsstunde schütteln kann, sondern die erst nach völligem Aus¬ 
reifen von selber abfallen. Und gerade die Tatsache, daß die Völ¬ 
ker immer sehr spät Lehren aus der Geschichte gezogen haben 
und diese neuen Einsichten in der Regel erst nach langen heißen 
Kämpfen errungen wurden, beweist, daß sie überhaupt nicht an der 
Oberfläche liegen und nicht leicht zu finden sind. Solche Probleme 
müssen oft erst durch eine Reihe zusammengehöriger Ereignisse und 
durch längere Zeiträume der Geschichte verfolgt werden, bis endlich 
nach manchen Teilergebnissen und unvollständigen Lösungen die 
richtige Antwort auf die Zeitfrage gefunden wird. So taucht die 
Agrarfrage schon bei den Rodungen auf, kommt im Bauernkrieg 
neuerdings zum Vorschein und findet in Bayern erst 1848 ihre 
Lösung. Das, was man jetzt als Bürgerkunde mehr für sich treibt, 
muß organisch aus der Geschichte selber hervorwachsen. 
Weiter wird auf ähnliche, wenn auch teilweise abweichende 
Zustände der Gegenwart Bezug genommen werden müssen. Die 
Art, wie z. Bsp. die Römer unter Varns mit den Germanen um¬ 
gingen, hat noch in der Gegenwart Seitenstücke genug in den Vor¬ 
gängen, wie höher zivilisierte europäische Völker mit Stämmen an¬ 
derer Erdteile verkehren. Ich glaube, ein solches Licht wird man¬ 
ches erleuchten. Auch die Entdeckung Amerikas liefert dazu Bei¬ 
spiele. Schwache Ansätze zu solcher Auffassung finden sich ja schon 
in der ersten Auflage, wenn das unbequeme germanische Wohnhaus 
mit dem Beduinenzelt Abrahams, römisches Leben der Vergangen¬ 
heit und deutsche Kultur der Gegenwart, die germanische Völker¬ 
wanderung und die Wüstenwanderung der Israeliten miteinander 
verglichen werden. Aber solche Vergleichungen müssen sich durch¬ 
aus auf geschichtlichem Gebiete bewegen; die Heranziehung ähnlicher 
Situationen aus Lesestücken wird in Wegfall kommen, wenn auch 
das Kind auf solche ihm oft näher liegende Vergleichungen gerne 
eingeht. Es liegen z. Bsp. in der Tätigkeit der mittelalterlichen 
Glaubensprediger und in dem Wirken der Missionäre in fremden 
Erdteilen eine Menge Ähnlichkeiten. Das Kind wird dann den 
Eindruck gewinnen, daß Zustände, wie sie in der deutschen Ver¬ 
gangenheit vorkamen, sich auch noch in der Gegenwart bei andern 
Völkern wiederholen können, und die Geschichte wird sich zur Kul¬ 
turkunde erweitern. 
Die Erzählungen meiner „Deutschen Geschichte" erwecken 
den Anschein, als sollte die Geschichte in zusammenhangslose
	        
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