24 Erster Zeitraum von 1648—1740.
unter Joachim II. die landesfürstliche Stellung eine schwere Einbuße, weil
„ der Kurfürst zur Tilgung seiner durch starke Verschwendungssucht hervor-
gerufenen Schulden der Stände bedurfte: das „ständische Kreditwerk"
lieferte ihn der von seinem Vorgänger erfolgreich bekämpften „ständischen
Libertät" wieder aus.
1571-1598. 7. Johann Georg vereinigte nach dein fast gleichzeitigen Tode der
Brüder Joachim II. und Johann wieder alle Teile der Markgrafschaft.
Der prachtliebenden Art und „übergroßen Kuriosität" seines Vaters abhold,
befleißigte er sich der größten Sparsamkeit, mußte jedoch, um die zer-
Ordnung der rütteten Finanzen in Ordnung bringen zu können, den Ständen, besonders
Finanzen, bem Adel große Zugeständnisse machen. Die Ämter bei Hofe und in der
Verwaltung übertrug er fast nur an einheimische Edelleute (Indigenatsrecht),
gestattete das „Segen der Bauern" und überließ ihnen die Verwaltung und
die Gerichtsbarkeit auf dem Lande. Mit Rücksicht auf seine zahlreiche Nach-
Politik der An- kommenfchaft war Johann Georg der „Politik der Anwartschaften" (Preußen
wartschaften. un£, Jülich, Magdeburg und Straßburg, verschiedene Erbverbrüderungen)
sehr ergeben und scheute sich dabei n.tiht, sowohl die Landesinteressen der
Mark durch ein das achilleische Hausgesetz durchbrechendes Testament als
die des Protestantismus durch seinen Anschluß an Habsburg und durch
seine starre Gegnerschaft gegen den Kalvinismus aufs schwerste zu verletzen.
Er zerfiel deshalb vollkommen mit dem Kurprinzen, der in jeder Hinsicht
die gegenteilige Stellung einnahm.
1598-1608. 8. Joachim Friedrich, vorher Administrator von Magdeburg, erwarb
sich um die Zukunft Brandenburgs ein großes Verdienst, indem er nicht
ohne lange Schwierigkeiten seine Stiefbrüder zum Verzicht auf das väter¬
liche Testament veranlagte1) und fo die Einheit der Kurmark rettete.
Um der „ständischen Libertät" des Adels, dem auch er wegen der zerrütteten
pekuniären Verhältnisse große Zugeständnisse machen mußte, ein Gegen-
gewicht zu geben, schuf er zur Erledigung der politischen Geschäfte im
In- und Ausland — also nicht der kirchlichen Angelegenheiten (Konsi-
Der storium) und der Rechtspflege (Kammergericht> — den Geheimen Rat
©eijeime Rat. (1604), in den er vertrauenswürdige Männer ohne Rücksicht auf Stand2)
1) Sie wurden mit den gerade damals erledigten fränkischen Fürstentümern
ausgestattet (jüngere fränkische Linie bis 1791), während das dazu gehörige
Fürstentum Jägerndorf an seinen Sohn Johann Georg, den bisherigen Prä-
tenbenten für das Straßburger Stift, fiel, was freilich Kaiser Rudolf als böhmischer
Lehnslierr Beanstandete.
2) Im 16. Jahrhundert vollzieht sich unter dem Einfluß ber humanistischen
Stnbien unb Universitäten ein Umschwung in ber Bewertung bes bürgerlichen
Elements burch bie Fürsten: ein glänzendes Beispiel dafür war der Leipziger
Schneiderssohn Lamprecht Diestelmeyer, der unter Joachim II. und Johann
Georg als Kanzler einen maßgebenden Einfluß auf die brandenburgische Politik aus-
geübt hatte.