— 141 —
vernichten und sich zum Könige machen, stürmten mit Stöcken, Stuhl¬
beinen und andern Waffen, die gerade zur Hand waren, aus ihn ein und
erschlugen ihn nebst 300 seiner Anhänger. Zwar hatten viele arme
Römer von seiner Gefahr gewußt und versprochen, ihn gegen jede Ge¬
waltthat zu sichern, aber als sie die erbitterten Gegner anrücken sahen,
da flohen sie feige und gaben den preis, der nur ihr Bestes wollte.
Als Cajus Gracchus von der Ermordung seines Bruders hörte, eilte
er sogleich herbei, um sich wenigstens die Leiche des theuern Todten zu
verschaffen und dieselbe anständig beerdigen zu lassen. Aber auch das
gaben die Feinde nicht einmal zu; sie meinten, einem so schlechten Men¬
schen, wie Tiberins gewesen sei, gebühre kein ehrliches Begräbniß, und
warfen die Leiche nebst den übrigen in die Tiber. Zu spät erkannte das
Volk, Iwie schlecht es in seiner Feigheit gehandelt habe, und ehrte seinen
hochherzigen Vorfechter dadurch, daß es ihm eine Bildsäule errichtete?
Nach dem Tode des Tiberius wagte der Senat freilich nicht, das
Gesetz über die Verkeilung der Ländereien sogleich aufzuheben, verfolgte
aber doch alle Anhänger des Ermordeten mit furchtbarer Grausamkeit
und schickte den jungem Gracchus, den man besonders fürchtete, als
Säckelmeister (Quästor) nach Sardinien, um ihn auf diese Art unschädlich
zu machen. Cajus Gracchus weigerte sich anfangs, dies Amt zu über¬
nehmen, da er gern in Rom geblieben wäre, um seinen Bruder zu rächen
und das fortzusetzen, was dieser nicht hatte ausführen können; aber
Cornelia, die auch ihn zu verlieren fürchtete, bat so lange, bis er doch
ging. Freilich blieb er nicht lange in Sardinien; denn als er sah, daß
die Noth und auch der Unmuth des armen Volkes größer war als je,
kehrte er plötzlich zurück, ohne den Senat um Erlaubniß gefragt zu haben.
Jubelnd empfing das Volk den Mann, von dem es Rettung erwartete,
und da gerade das Amt eines Volkstribuueu erledigt war, wählte mau
ihn auf der Stelle (123 v. Chr. Geb.), und so war er in den Stand
gesetzt, den Kamps gegen die Optimalen zu erneuern. Zwei Jahre
nach einander bekleidete er das Amt eines Tribunen und setzte während
dieser Zeit manche Gesetze durch, die der Noth des armen Volkes abhelfen
sollten: 1. Die römischen Soldaten sollen nicht mehr wie bisher selbst
für ihre Bekleidung sorgen, sondern das Geld für dieselbe vom Staat
erhallen; 2. jeder aus dem Volke solle seinen Getreidebedarf aus den
Vorrathshäuferu der Stadt beziehen und dabei immer ein Sechstel
weniger bezahlen können als der eigentliche Preis sei. Dies war aller¬
dings für manche Familien eine bedeutende Erleichterung, war aber doch
in seinen Folgen sehr nachtheilig, weil viele Leute dadurch gewöhnt wurden,
in ihrem Fleiße nachzulassen und sich auf die Hülse des Staates zu ver¬
lassen. 3. Das Ackergesetz des Tiberius Gracchus werde von neuem
bestätigt und in Kraft gesetzt. 4. Der Staat solle dafür sorgen, daß
den unbeschäftigten Bürgern durch Straßenbauten und andere öffentliche
Arbeiten Gelegenheit gegeben werde, sich ihren Unterhalt zu erwerben,