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gliari (Cäljari) auf Sardinien (Cäralis), Palermo (Panormos) rc.
So wurde das kleine Phönicien für die damalige Welt das, was jetzt viel¬
leicht England ist; die Schätze und Erzeugnisse aller bekannten Länder
strömten hier zusammen. Aus Cyperu brachten sie Kupfer, aus
Spanien Silber, aus England Zinn, aus Italien und Griechenland
Oel und Wein, von der Ostsee den Bernstein; außerdem führten ihre
Karawanen Gold, Edelsteine, Perlen, Zimmt, Specereien, Wein, El¬
fenbein, Ebenholz, Sklaven, Pferde, baumwollene Stoffe und viele
andere kostbare und nützliche Dinge herbei. In ihren Städten prang¬
ten die herrlichsten Gebäude; die Straßen waren voll geschäftiger
Menschen; die Häfen konnten kaum die Zahl der Schiffe fassen, und
zu alleu Thoren strömten beladene Kameele heraus und hinein. Wie
reich das kleine Phönicien durch einen so ausgedehnten Handel werden
mußte, könnt ihr euch denken. Der Prophet Jesaias hatte gewiß Recht,
wenn er sagte: „Ihre Kaufleute sind Fürsten und ihre Krämer die
Herrlichsten im Lande." — Wenn uns aber die Phönicier durch die un¬
geheure Entwicklung ihres Handels in Erstaunen setzen, so bewundern
wir ihre Gewerbthätigkeit (Industrie) und ihre große Erfindungsgabe
nicht minder. Sie waren die ersten Bergleute; sie besaßen eine große
Fertigkeit, ans Holz, Elfenbein, Gold und andern Metallen allerlei
hübsche Sachen zu bereiten; sie erfanden das Glas, die Purpurfärberei,
ja sogar die Buchstabenschrift und die Rechenkunst. Wie die Sagen
erzählten, waren freilich manche Erfindungen durch Zufall gemacht
worden, aber das setzt die Phönicier durchaus nicht herunter. Wenn
sie nicht ein kluges Volk gewesen wären, hätten sie gar nicht verstanden,
den Zusall zu benutzen. Als einst ein Hirt seine Schafe nicht weit vom
Meeresufer weidete, sah er seinen Hund mit rothem Maule auf sich zu¬
kommen. Er glaubte, das Thier fei verwundet und nahm ein Büschel
Wolle, um das Blut abzuwischen. Zu seiner Verwunderung konnte
er gar keine Wunde entdecken, und als er noch darüber nachdachte,
woher das Blut gekommen sein möge, bemerkte er, daß der Hund eine
Schnecke zerbissen habe und daß aus dieser ein rother Saft fließe. Er¬
suchte nun ähnliche Schnecken, und als er in allen denselben Saft
fand, theilte er seine Entdeckung andern Phöniciern mit. Es dauerte
nicht lange, so benutzten die klugen Menschen den Saft der Purpur-
schnecke, um weiße Gewänder glänzend roth zu särben. Diese Purpur-
stoffe wurden zu außerordentlich hohen Preisen verkauft und dienten
besonders zur Kleidung der Könige und anderer reichen Leute. Jetzt
benutzen wir den Saft der Purpurschnecke nicht mehr, da wir billigere
rothe Farbe haben. —-
Ueber die Erfindung des Glases hat man folgende Sage: Phö-
nicische Schiffer, welche Salpeter geladen hatten, stiegen ans Land,
um sich dort ihre Mahlzeit zu bereiten. Weil es aber an Steinen
fehlte, aus die man die Töpse hätte setzen können, holte man dicke