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Ihre Erziehung war eine vorzügliche; namentlich für Mnsik und
Malerei bewies sie große Anlagen.
Nachdem sie sich bereits 1855 dem preußischen Kronprinzen
verlobt hatte, erfolgte 1858 bic Vermählung. In Berlin
nahm sie mit ihrem hohen Gemahl Wohnung in demselben Palaste,
in welchem einst König Friedrich Wilhelm III. mit der Königin
Luise so glückliche Tage verlebt hatte; im Sommer verweilten
die beiden jungen Gatten im kleinen Palais bei Potsdam, jetzt
Friedrichsruh genannt. Ganz in der Nähe besaß der Kronprinz
das Gut Bornstedt, um dessen Bewirtschaftung er sich selbst
kümmerte. Die Kronprinzessin überwachte persönlich die Erträg¬
nisse des Hühnerhofes und der Milchwirtschaft.
An den Freuden und Leiden der Bewohner des Dorfes
Bornstedt, welche Gutsangehörige waren, nahm die kronprinzliche
Familie innigen Anteil. Die Alten und Kranken waren Gegen¬
stand der unablässigen Fürsorge der Kronprinzessin; nicht selten
besuchte sie mit ihren Kindern die Leute in ihren Wohnungen.
Jährlich fand ein fröhliches Kinderfest statt, zu welchem die fest¬
lich geschmückte Jugend von Bornstedt unter Führung ihres
Lehrers und des Geistlichen sich gern einfand. So entwickelte
sich zwischen den Bewohnern des Ortes und den Herrschaften im
kleinen Palais ein Band herzlicher Gemeinschaft, wie es einst in
Paretz gewesen war.
Ihre Hauptaufgabe fanden der Kronprinz und die Kron¬
prinzessin in der Erziehung ihrer Kinder. Mit der peinlichsten
Sorgfalt wurden Erzieher und Erzieherinnen ausgewählt. Nicht
selten wohnten die Eltern selbst dem Unterrichte bei. Die Ehe
war eine sehr glückliche; sie war mit acht Kindern gesegnet, von
denen noch sechs am Leben sind. Das älteste Kind ist unser
jetziger Kaiser Wilhelm II.
Das friedliche Zusammenleben des kronprinzlichen Paares
wurde dreimal durch Kriege unterbrochen. Während der Kron¬
prinz an den Feldzügen gegen Dänemark, Österreich und Frank¬
reich teilnahm, widmete bie Kronprinzessin baheint ihre Fürsorge
der Pflege der Verwundeten. Auf ihre Anregung wurde die
Viktoria-National-Jnvalidenstiftuug ins Leben gerufen, welche
für die mittellosen Hinterbliebenen der int Kriege Gefallenen und
für erwerbsunfähig heimkehrende Soldaten sorgen soll. — Auch
gründete sie ein Heimathaus für Töchter höherer Stände. Die
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