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II. Jaröietung. 
A. Der neue Stoff. 
1. Dev erste Raubkrieg. Seit dem Jahre 1643 regierte in Frank¬ 
reich Ludwig XIV. Wahrend seiner Minderjährigkeit führte die Regierung 
ein fast allmächtiger Minister. Nach dessen Tode ergriff der König selbst die 
Zügel der Regierung. Sein Wahlspruch war: „Der Staat bin ich." Nachdem 
er im Innern seines Landes alle seine Unterthanen zu Ruhe und Gehorsam 
gezwungen, die widerstrebenden Kräfte überwunden und eine unumschränkte 
Herrschaft, wie keiner seiner Vorgänger, begründet hatte, suchte er Frankreichs 
Macht auch nach außen hin zu erweitern und ihm die Übermacht unter den 
europäischen Staaten zu erkämpfen. Dabei mußten ihm alle Mittel der List 
und Gewalt in gleicher Weise dienen. Nicht zufrieden mit den Erwerbungen 
im westfälischen Frieden, suchte er den ganzen Rhein zur Ostgrenze Frankreichs 
zu machen. Bald hatte er einen Vorwand zum Kriege gefunden. Das heutige 
Königreich Belgien gehörte damals unter dem Namen „die spanischen Nieder¬ 
lande" zu Spanien. Der König von Spanien war gestorben. Ludwig, der 
mit dessen ältester Tochter verheiratet war, machte Ansprüche auf die spanischen 
Niederlande, obgleich er gar kein Recht darauf besaß. Aber gründ- und 
rechtlos begann er den Krieg, einen Raubkrieg, im Jahre 1667. Holland 
jedoch, das durch die Eroberung der spanischen Niederlande mit Recht für 
feinen eigenen Besitz fürchtete, schloß mit England und Schweden einen 
Bund gegen Frankreich und nötigte Ludwig, bald Frieden zu schließen. Jedoch 
erhielt er in demselben zwölf bereits eroberte Grenzplätze, darunter Charleroi, 
Donai, Tonrnai, Courtrai, Lille, Ondenarde, welche er zu unüberwindlichen 
Festungen umbauen ließ, wodurch er einen gewaltigen Festungsgürtel an der 
Nordgrenze seines Landes errichtete. 
2. Der zweite Raubkrieg. Holland hatte es gewagt, den Sieges¬ 
lauf des großen Königs zu hemmen. Aus Rache war daher Ludwigs zweiter 
Raubkrieg, 1672—1678, gegen dasselbe gerichtet. Wenn es gelang, das reiche 
Holland mit seiner Seemacht, seinen Kolonieen, seinem Handel zu unterwerfen, 
welch ein Zuwachs an Macht mußte das fein? Würden dann nicht die 
spanischen Niederlande von selbst an Frankreich fallen? Und wer wollte dann 
den großen Ludwig hindern, den Rhein zur Grenze seiner Herrschaft zu machen? 
Und wenn es den Franzosen gelang, die Küsten der Nordsee immer mehr in 
ihre Gewalt zu bringen, so hofften sie auch Herren zur See werden zu können. 
Die Zeit des Krieges war sehr gut gewählt, denn es war Ludwig gelungen, 
die bisherigen Verbündeten Hollands, England und Schweden, auf seine Seite 
au bringen. Ein rascher und leichter Sieg schien ihm gewiß, denn mit ihm
	        
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