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das Gebirge geleitet. Rasch gelang es Karl, den ganzen Norden Italiens zn
besetzen. Desiderins selbst zog sich in seine stark befestigte Hauptstadt Pavia
am Tessin zurück und hoffte, an den dicken Mauern derselben werde die Macht
des Frankenkönigs zerschellen. An seinem Hofe lebte damals ein edler Franke,
namens Otker, der sich den Zorn des Königs Karl zugezogen hatte und deshalb
zum Langobardenkönige geflohen war. Er war mit der Kriegführung der Franken
genau vertraut. Unter seiner umsichtigen Verteidigung trotzte daher Pavia sechs
Monate lang der Belagerung, bis Hunger und Seuchen in der unglücklichen
Stadt den höchsten Grad erreichten. Da mußte, im Frühling 774, Pavia sich
ergeben, und Karl nahm die Stadt und die königliche Burg in seinen Besitz.
Alles Gold, das er fand, verteilte er unter das Heer. Den König Desiderius
setzte er ab und schickte ihn als Gefangenen in ein fränkisches Kloster. Das
Langobardenreich aber vereinigte er mit seinem großen Reiche, so daß es im
Süden bis zum Flusse Garigliano reichte. Er selbst ließ sich in Monza,
der alten Krönungsstadt der Langobardenkönige, zum König der Langobarden
krönen. Die eiserne Krone derselben hatte inwendig einen eisernen Reif, der
der Sage nach aus einem Nagel des Kreuzes Christi geschmiedet sein sollte;
die übrigen Teile waren aus Gold und Edelsteinen gearbeitet.
3. Karl in Rom. Während sein tapferes Heer vor den Mauern von
Pavia lag, ging Karl selbst zum Osterfeste 774 nach Rom. Da waren die
Ehren groß, unter denen er von Papst und Stadt empfangen wurde. Der
Papst hatte ihm den feierlichsten Einzug bereitet. Draußen vor der Stadt schon
empfingen ihn unter feierlichen Lobgesängen Knaben und Mädchen mit Palmen
und Ölzweigen in den Händen. Der Papst selbst erwartete ihn vor dem
Portale der Peterskirche, umgeben von den höchsten Geistlichen und den Vor¬
nehmsten des römischen Volkes. Da rauschte die Musik auf, da klangen die
Lobgesänge. Karl, ein frommer Mann, ging nicht zu dem Heiligtum hinauf,
kniend sah man ihn die 35 Marmorstufen emporklimmen und jede einzelne
derselben küssen. In der Vorhalle umarmten sich König und Papst. Aus dem
Munde des Volkes aber erscholl der Gesang: „Gesegnet sei, der da kommt,
im Namen des Herrn!" Nachdem beide durch feierlichen Eidschwur sich un¬
verbrüchliche Freundschaft gelobt, kehrte Karl nach Pavia und nach dessen
Eroberung über die Alpen nach Deutschland zurück.
4. Karls Kaiserkrönung. Im Jahre 800 war König Karl wieder ein¬
mal in Rom. Der Papst hatte ihn abermals zu Hilfe gerufen, und Karl hatte
ihn im Triumphe nach Rom zurückgeführt, von wo ihn seine Feinde Vertrieben
hatten. Der dankbare Papst kam auf den Gedanken, dem siegreichen und
mächtigen Frankenkönige die Würde eines römischen Kaisers zu verleihen. Als
er am Weihnachtsfeste des Jahres 800 im wallenden Pupurmantel vor dem
Altar der Peterskirche kniete, um hier sein Gebet zu verrichten, trat der Papst