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Schon bei Lebzeiten nannte man ihn
„Des Rechtes Grund-Stein,
Dem Unrecht ein Eck-Stein,
Der Deutschen Edel-Stein."
Von ihm giebt ($. M. Arndt folgende Schilderung: „Auf Steins Angesicht
waren zwei Welten. Auf dem oberen Teil desselben wohnten fast immer die
glanzvollen und sturmlosen Götter. Seine prächtige breite Stirn, seine geist¬
reichen, freundlichen Augen, seine gewaltige Nase verkündigten Ruhe, Tiefsinn
und Herrschaft. Der Mund war offenbar der obern Macht gegenüber zu klein
und fein geschnitten, auch das Kinn nicht stark genug. Hier hatten gewöhnliche
Sterbliche ihre Wohnung, hier trieben Zorn und Jähzorn ihr Spiel und oft
die plötzlichste Heftigkeit, die Gottlob, wenn man ihr begegnete, sich bald wieder
beruhigte. Satire und feiner Spott umspielten den Mund. Er war von mittlerer
Größe, aber gedrungen, breit. Seine rasche Rede, derb, klar und fest, ergoß sich
wie ein Waldstrom, der vom Felsen stürzt, oder gleich Pfeilen vom Bogen,
gerade ins Ziel schlagend." Man sagte von ihm, er donnere beständig. Derselbe
Mann aber war reichen, tiefen Gemüts, voll sittlicher Reinheit, des Gemeinen
und Schlechten bitterster Feind, voll unendlicher Milde und voll kindlichen
Glaubens an das göttliche Evangelium. Seines edlen Zweckes sich bewußt, ein
herrischer Mann, stieß er ohne Schonung nieder, was ihm als ungehörig ent¬
gegentrat.
Höflichkeit auf Kosten der Wahrheit kannte er nicht, bei ihm galt kein
Ansehen der Person, nur der Wert des Mannes.
Die rücksichtslose Derbheit Steins in dieser Beziehung ist fast sprichwörtlich
geworden. Die Lehre: „Thue Recht und scheue niemand!" war von ihm buch¬
stäblich befolgt.
Eines Tages erzählte der Herzog von Weimar eine Menge anstößiger
Geschichten und sagte endlich zu Stein: „er habe auch wohl nicht immer wie
Joseph gelebt." „Wenn das wäre," erwiderte Stein, „so ginge das niemand
etwas an; aber immer habe ich Abscheu vor schmutzigen Gesprächen gehabt und
halte es nicht für passend, daß ein deutscher Fürst dergleichen vor jungen Offi¬
ziere« — es saßen mehrere solche neben älteren Männern da — so ausführe."
Der Herzog verstummte, es erfolgte eine Totenstille. „Nach einigen Minuten,"
berichtet Arndt, „fuhr der Herzog mit der Hand über das Gesicht und setzte,
als sti nichts vorgefallen, die Unterhaltung fort, den Anwesenden aber war
heiß und kalt geworden. Graf Solms-Laubach, Ober-Präsident der preußischen
Rheinlands, rief nachher aus: Nein! wie der mit Fürsten umgeht! mir ist noch
ganz heiß davon; ich zitterte immer, es würde Scenen geben."*)
Scharnhorst.
Eebhard Johann David von Scharnhorst, geb. den 10. November 1756 zu
Bordenar bei Wunstorf (Prov. Hannover), war der Sohn eines unbemittelten Land-
Wirts. Der junge Scharnhorst erregte bereits in der Dorfschule Aufmerksamkeit durch
*) Anmerkung. Eine vortreffliche, aber umfangreiche und teuere Lebens,
beschreibung des Freiherrn von Stein ist von Pertz herausgegeben; zu billigem
Preise (40 Pf.) sind E. M. Arndts: „Wanderungen und Wandlungen mit dem
Freiherrn wn Stein" zu haben. (Halle, O. Hendel.)