Full text: Handbuch der brandenburgisch-preußischen Geschichte (Bd. 2)

II 309 
Schon bei Lebzeiten nannte man ihn 
„Des Rechtes Grund-Stein, 
Dem Unrecht ein Eck-Stein, 
Der Deutschen Edel-Stein." 
Von ihm giebt ($. M. Arndt folgende Schilderung: „Auf Steins Angesicht 
waren zwei Welten. Auf dem oberen Teil desselben wohnten fast immer die 
glanzvollen und sturmlosen Götter. Seine prächtige breite Stirn, seine geist¬ 
reichen, freundlichen Augen, seine gewaltige Nase verkündigten Ruhe, Tiefsinn 
und Herrschaft. Der Mund war offenbar der obern Macht gegenüber zu klein 
und fein geschnitten, auch das Kinn nicht stark genug. Hier hatten gewöhnliche 
Sterbliche ihre Wohnung, hier trieben Zorn und Jähzorn ihr Spiel und oft 
die plötzlichste Heftigkeit, die Gottlob, wenn man ihr begegnete, sich bald wieder 
beruhigte. Satire und feiner Spott umspielten den Mund. Er war von mittlerer 
Größe, aber gedrungen, breit. Seine rasche Rede, derb, klar und fest, ergoß sich 
wie ein Waldstrom, der vom Felsen stürzt, oder gleich Pfeilen vom Bogen, 
gerade ins Ziel schlagend." Man sagte von ihm, er donnere beständig. Derselbe 
Mann aber war reichen, tiefen Gemüts, voll sittlicher Reinheit, des Gemeinen 
und Schlechten bitterster Feind, voll unendlicher Milde und voll kindlichen 
Glaubens an das göttliche Evangelium. Seines edlen Zweckes sich bewußt, ein 
herrischer Mann, stieß er ohne Schonung nieder, was ihm als ungehörig ent¬ 
gegentrat. 
Höflichkeit auf Kosten der Wahrheit kannte er nicht, bei ihm galt kein 
Ansehen der Person, nur der Wert des Mannes. 
Die rücksichtslose Derbheit Steins in dieser Beziehung ist fast sprichwörtlich 
geworden. Die Lehre: „Thue Recht und scheue niemand!" war von ihm buch¬ 
stäblich befolgt. 
Eines Tages erzählte der Herzog von Weimar eine Menge anstößiger 
Geschichten und sagte endlich zu Stein: „er habe auch wohl nicht immer wie 
Joseph gelebt." „Wenn das wäre," erwiderte Stein, „so ginge das niemand 
etwas an; aber immer habe ich Abscheu vor schmutzigen Gesprächen gehabt und 
halte es nicht für passend, daß ein deutscher Fürst dergleichen vor jungen Offi¬ 
ziere« — es saßen mehrere solche neben älteren Männern da — so ausführe." 
Der Herzog verstummte, es erfolgte eine Totenstille. „Nach einigen Minuten," 
berichtet Arndt, „fuhr der Herzog mit der Hand über das Gesicht und setzte, 
als sti nichts vorgefallen, die Unterhaltung fort, den Anwesenden aber war 
heiß und kalt geworden. Graf Solms-Laubach, Ober-Präsident der preußischen 
Rheinlands, rief nachher aus: Nein! wie der mit Fürsten umgeht! mir ist noch 
ganz heiß davon; ich zitterte immer, es würde Scenen geben."*) 
Scharnhorst. 
Eebhard Johann David von Scharnhorst, geb. den 10. November 1756 zu 
Bordenar bei Wunstorf (Prov. Hannover), war der Sohn eines unbemittelten Land- 
Wirts. Der junge Scharnhorst erregte bereits in der Dorfschule Aufmerksamkeit durch 
*) Anmerkung. Eine vortreffliche, aber umfangreiche und teuere Lebens, 
beschreibung des Freiherrn von Stein ist von Pertz herausgegeben; zu billigem 
Preise (40 Pf.) sind E. M. Arndts: „Wanderungen und Wandlungen mit dem 
Freiherrn wn Stein" zu haben. (Halle, O. Hendel.)
	        
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