Full text: Geschichtsbilder für evangelische Volksschulen

ihren Burgen auf den friedlich dahinziehenden Kaufmann und beraubten 
ihn seiner Waren, oder sie drangen in die Höfe der Bauern, plünderten 
sie aus und übergaben die Häuser den Flammen. 
Die Femgerichte. Nach altem deutschen Brauch lag die Rechts¬ 
pflege in den Händen des Volkes. Die Versammlung der freien Männer 
aus der Malstätte sprach Recht und verhängte die Strafen über die 
Schuldigen. Karl der Große übertrug die Rechtspflege an seine Be¬ 
amten (welche?), und allmählich ging dieselbe aus den Händen des 
Volkes in die Hände der Fürsten über. Als nun aber in der Zeit 
des Faustrechts sich kein Fürst um den Schutz der Schwachen und die 
Bestrafung der Schuldigen kümmerte, fing das Volk wieder an, sein 
alles Recht wie ehedem auszuüben. 
Diese Volksgerichte, welche zur Zeit des Faustrechts in der jetzigen 
Provinz Westfalen bestanden, führen den Namen Femgerichte. Mitglied 
des Femgerichts (Freigerichts, Freistuhls) zu sein, galt für jeden freien 
Mann, selbst für Fürsten als eine hohe Ehre. Der Vorsitzende des 
Freistuhls hieß Freigraf, die übrigen Mitglieder Freischöffen. Um Recht 
zu sprechen, versammelten sich diese an den Malstätten unter alten Bäu¬ 
men. Einer der angesehnsten Freistühle befand sich in Dortmund, wo 
noch heute die Femlinde die Gerichtsstätte bezeichnet. Auf der Malstätte 
stand ein steinerner Tisch, umgeben von einer steinernen Bank. Während 
des Gerichts lag vor dem Freigrafen ein blankes Schwert und ein 
Strick ans Weiden geflochten. Auf das Schwert mußten die Schöffen 
den Eid leisten, mit dem Stricke wurde die Strafe vollstreckt. War 
jemand bei dem Freistuhl eines Verbrechens angeklagt, so wurde er durch 
einen Brief vorgeladen. Dem Ritter heftete man den Ladungsbrief an 
das Burgthor, dem Bürger an die Hausthür. War- der Aufenthalt 
des Angeklagten unbekannt, so wurden vier schriftliche Ladungen aus¬ 
gefertigt, und an vier verschiedenen Orten des Landes angeheftet. Er¬ 
schien der Angeklagte vor Gericht, so hatte zunächst der Kläger seine 
Klage vorzubringen. War der Angeklagte überführt, so wurde das 
Urteil sofort gesprochen und vollzogen. Lautete es auf Todesstrafe, so 
wurde er mit dem Weidenseile an den nächsten Baum gehängt. Häufig 
kam es vor, daß der Angeklagte der Vorladung keine Folge leistete und 
fernblieb. Alsdann wurde er verfemt, d. h. jeder Schöffe, der ihn 
auffinden konnte, durfte ihn töten. Da sich nun aber Schöffen an 
allen Orten Deutschlands befanden, so war ein solch Verfemter seines 
Lebens nirgends mehr sicher. Überall suchten sie seiner habhaft zu 
werden und hingen ihn, wenn sie ihn trafen, an einen Baum der 
Landstraße. Zum Zeichen, daß der Verfemte nicht von Räubern über¬ 
fallen, sondern von den Freischöffen gerichtet worden fei, wurde ein 
Messer neben ihm in die Erde gesteckt.
	        
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