Full text: Sechzig Bilder aus der deutschen und preußischen Geschichte

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mehr noch durch Klugheit und weise Regierung, ein Reich gegründet und zu¬ 
sammengehalten hat, wie es wenige gegeben; denn es reichte vom Ebro bis 
an den Raab und von der Eider bis zum Tiber, umfaßte also auch Deutsch¬ 
land. Aber er ist einer von den wenigen Kaisern gewesen, die sich ihres 
Glückes nicht überhoben haben. Er war ein gar frommer Mann, dem frei¬ 
lich der in seiner Zeit weit verbreitete Irrtum noch anhing, man müsse die 
Heiden mit Gewalt der Waffen zum Christentum zwingen. Aber er versäumte 
dagegen auch nichts, um den überwundenen Völkern christliche Bildung zu 
geben. 
c. Kriege. Fast 33 Jahre lang kämpfte er mit den heidnischen Sachsen 
im nördlichen Deutschland, die den Franken durch häufige Einfälle in ihr 
Gebiet gefährliche Nachbarn waren. Aber nach vielen Feldzügen und mancher 
blutigen Schlacht erst gelang es ihm, sie und ihren Herzog Wittekind zu 
überwältigen und zum Christentum zu zwingen. Die Sage berichtet darüber: 
Als Wittekind den Jammer und die Verwüstung seines Vaterlandes sah, da 
bot er voll Mitleid mit seinem Volke dem Kaiser Karl die Hand zum Frieden. 
Ungekannt und in Lumpen gehüllt, einem Bettler gleich, ging er nämlich nach 
Aachen, wo Karl residierte, und stellte sich an die Thür der Kirche unter die 
andern Bettler. Da kam Kaiser Karl zum Gebet. Wittekind folgte ihm 
unbemerkt in das Heiligtum, sah hier zum ersten Mal mit Staunen und Be¬ 
wunderung den christlichen Gottesdienst, nahm wahr, wie Karl, den er sonst 
nur im grimmigsten Kampfe geschaut hatte, mild und sanft in stiller Andacht 
am Altare niederkniete. Da füllten Thränen seine Augen, und der Haß in 
seinem Herzen schwand. Als aber Karl die Kirche verließ und in gewohnter 
Weise die Bettler an der Thür beschenkte, erkannte er Wittekind und sprach 
zu ihm: „Du, Fremdling, folge mir, für dich habe ich ein ander Almosen." — 
Er folgte ihm in seinen Palast, wo sich die beiden Helden versöhnten. Witte¬ 
kind ließ sich taufen, und Karl belehnte ihn mit dem Herzogtum Sachsen. — 
Inzwischen hatte er auch das lombardische Reich in Italien unterworfen. 
Papst Hadrian war nämlich vom Lombardenkönig Desiderius hart bedrängt 
und bat Karl um Hilfe. Karl überstieg mit seinem Heere den Mont Cenis. 
Ein Spielmann, so erzählt man, soll ihm den Weg gezeigt, und zum Lohne 
dafür so viel Land erhalten haben, als man das Blasen seines Hornes im 
Umkreise hörte. Nach 7 monatlicher Belagerung eroberte er das feste Pavia, 
nahm Desiderius gefangen, schickte ihn in ein Kloster, setzte sich zu Mailand 
die eiserne lombardische Krone auf und ließ sich als König der Franken und 
Lombarden huldigen. — Als Karl zu Paderborn (777) den ersten Reichs¬ 
tag abhielt, erschienen vor ihm die Gesandten eines maurischen Emirs in 
Spanien, und baten um Schutz gegen die Angriffe des Chalifen Abderrhaman. 
Karl sagte Gewährung zu, überschritt mit seinem Heere die Pyrenäen, und 
entriß den Arabern das Land nördlich vom Ebro, welches er als spanische 
Mark seinem Reiche einverleibte. Auf dem Heimzuge wurde das Franken¬ 
heer plötzlich in einem Gebirgspasse von Feinden überfallen, und viele Krieger 
erschlagen. Unter den Gefallenen befand sich auch Karls berühmtester Feld¬ 
herr: Held Roland. Von vier Speeren zum Tode verwundet nahm er sein 
herrliches, leuchtendes Schwert und schlug damit aus aller Kraft auf einen 
Marmorstein; denn er wollte es lieber zertrümmern, als in der Feinde Hände 
fallen lassen. Aber das mächtige Schwert zerspaltete den Stein und zerbrach 
doch nicht. Alsdann stieß er mit solcher Kraft in sein Horn, das es zersprang
	        
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