Full text: Geschichte (Abth. 6)

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Frieden, und mußte uicht bloß uach damaliger Sitte knieend 
dem Kaiser huldigen, sondern auch das eroberte Oesterreich 
abtreten. Von seiner stolzen Gemahlin aufgereizt griff 
Ottokar, als die Neichsfürsieu heimgezogen waren, jedoch 
neuerdings zu den Waffen. Auf dem Marchfelde, einige 
Meilen von Wien, kam es zu einer blutigen Schlacht, 
in der Rudolf selbst in Lebensgefahr gerieth, aber endlich 
den Sieg errang. Ottokar hatte einen riesenmäßigen pol¬ 
nischen Ritter vermocht, den Kaiser selber aufzusuchen und 
zu todten. Der Pole erreichte diesen auch, griff wüthend 
an und stieß sein Pferd nieder. Rudolf wäre verloren ge* 
wesen, hätte er sich durch seilten Schild nicht vor dem Zer¬ 
treten geschützt. Endlich gelang es ihm, sich unter dem 
getödteten Pferde hervorzuarbeiten und er kämpfte nun so 
lange mit dem Polen, bis ihm die ©einigen zu Hilfe kamen. 
So errettete die Vorsehung den braven Kaiser. Anders 
erging es Ottokar, der sich wie ein Löwe vertheidigte, aber 
endlich verwundet vom Pferde geworfen und getödtet wurde. 
Nach dem Siege fanden Rudolfs Leute unter den Leichen 
auch jenen Polen, zwar noch lebend, aber fürchterlich zu¬ 
gerichtet. Sie fragten Rudolf, ob sie den Schelmen nicht 
vollends todten sollten. „Das wolle Gott verhüten!" ant¬ 
wortete der Kaiser, „es wäre doch Schade, wenn ein so 
tapferer Ritter sterben sollte." Darauf ließ er ihn sorg¬ 
fältig pflegen, und schickte ihn nach seiner Genesung in 
seht Vaterland zurück. Die Söhne Ottokars belehnte er 
mit dem Erdreiche ihres Vaters, die österreichischen Länder 
dagegen gab er seinen eigenen Söhnen zum Lehen und 
gründete dadurch die Macht des Habsburgischen Hauses, 
aus welchem die Kaiser von Oesterreich abstammen. 
Nun wandte sich der thätige Kaiser wieder zur Zer¬ 
störung der Raubnester, saß überall zu Gericht und ver¬ 
nahm die Parteien, weßhalb man ihn auch das lebendige 
Gesetz nannte. Jeder, ohne Unterschied des Standes, 
hatte freien Zutritt zu ihm. Einst, als die Wache einen 
gemeinen Mann, der mit ihm zu sprechen wünschte, nicht 
hineinlassen wollte, rief er ihr zu: „So lasset ihn doch 
eintreten! Bin ich denn zum Kaiser erwählt, daß mau 
mich einschließe?" Obgleich er den ersten Thron von 
Europa einnahm, so war er doch fent von Stolz, äußerst 
mild und leutselig. Als Kaiser besuchte er noch einen 
reichen Gerber in Basel, den er früher gekauut hatte, und
	        
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