Full text: Geschichte (Abth. 6)

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Constantinopel erbeben. Er war klein von Körper, hatte 
eilten großen Kopf, tiefliegende, kleine, doch feurige Angen, 
die er stolz umherwarf, und nannte sich selbst am liebsten 
Geißel Gottes. Er selbst lebte einfach, aß wenig und ans 
hölzernen Geschirren; aber seine Gäste speisten auf Silber 
und Gold. Dieser fürchterliche Mann kam mit 700,000 
Streitern nach Deutschland und drang unter schrecklichen 
Verwüstungen über den Rhein in Frankreich ein; mit Fener 
und Schwert bahnte er sich den Weg, die blühendsten 
totädte wurden zerstört. In dieser Noth verbanden sich 
die Römer und viele deutsche Volksstamme gegen den ge¬ 
meinsamen Feind und stellten sich dem Attila bei der Stadt 
Chalons (Schalou) an der Marne entgegen. Hier kam 
es im Jahr 451 zur Schlacht, vielleicht der blutigsten, die 
je in Europa geliefert wurde; 200,000 Leichen bedeckten 
die Wahlstatt. Bei einbrechender Nacht zog sich Attila zu¬ 
rück, verschanzte sich hinter unzähligen Pferdesätteln, ließ 
die ganze Nacht einen fürchterlichen Lärmen machen und zog, 
da er sich nicht länger hatten konnte, in sein Land zurück. 
Allein schon im nächsten Jahre drang er wieder nach 
Italien vor und näherte sich, nachdem er hundert unglück¬ 
liche Städte verbrannt, bereits der Hauptstadt Rom. Da 
geschah es, daß plötzlich eine Gesandtschaft friedlicher Män¬ 
ner in dem hunnischen Lager erschien und den furchtbaren 
König zu sprechen wünschte. Es waren edle Römer, an 
ihrer Spitze Papst Leo, mit dem Beinamen des Großen, 
im Morgen- wie im Abendlande hochverehrt, ein Besieger 
hartnäckiger Sekten, welche kaum weniger furchtbar die 
Kirche als Attilas Schaaren das Reich von allen Seiten 
bedroht hatten. Als alles die Hauptstadt des Reiches ver¬ 
zweifelnd aufgab, als kein Heer, keine Festung, keine welt¬ 
liche Macht Schutz und Rettung verlieh, da machte der oberste 
Hirt der Christenheit sich auf, sein Leben für seine Heerde 
einzusetzen. Seinen Hirtenstab in der Hand, in seine 
päpstlichen Gewänder gekleidet, tritt er dem Schrecklichen 
mit hehrer Macht entgegen, bittet mit rührenden Worten 
für Rom und droht ihm mit der Rache der Apostel, der 
Beschützer der christlichen Hauptstadt. Was den Barbaren 
kaum auf den Gefilden von Chalons angewandelt, der 
Schrecken des Todes, befällt jetzt Attila bei den Worten 
des unbewaffneten Priesters; umgewandelt kehrt er mit 
allen seinen Schaaren um und geht nach Ungarn zurück.
	        
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