18 Zweiter Abschnitt. Bilder aus der Völkerwanderung.
Theoderich wurde vom Pferde herabgeworfen, während er, die Seinen an¬
feuernd, hierhin und dorthin durch die Reihen sprengte. Unter den Hufen
der über ihn hinwegstürmenden Rosse der Goten hauchte der greise Herrscher
sein Leben ans — (Nach dem Bericht des Jordanes — auch Jornandes
genannt — s. „Deutsche Geschichte von der Urzeit bis zum Ausgang des
Mittelalters in den Erzählungen, deutscher Geschichtsschreiber von Dr. G. (Mer."
Bd. I, S. 148 und 149. Das ganze Werk, welches 1884 im Verlage
von Alphons Dürr in Leipzig vollständig erschienen ist, umfaßt 3 Bände.) —
Schon neigte sich der Sieg auf die Seite der Hunnen, da kam Thoris-
mund, der Sohn des gefallenen Königs, mit einer Gotenschar, die Aetius
seitwärts hinter einem Hügel in den Hinterhalt gestellt. Mit unbeschreiblicher
Wut drangen die Goten vor, um den Tod ihres gefallenen Königs zu rächen.
Nun mußte Attila sich mit den Seinen hinter die Wagenburg zurück¬
ziehen. Es war sein Glück, daß die Dunkelheit der Nacht dem Aetins die
Verfolgung des Feindes nicht mehr gestattete. Aber Attila war in Sorge,
daß die Feinde noch in der Nacht sein Lager stürmen könnten. Er ließ
darum einen Scheiterhaufen von Pferdesätteln und allerlei Gerät aufbauen
und war entschlossen, sich in die Flammen zu stürzen, wenn die Römer seine
Verschanzungen. erstürmen sollten. So wollte er auf jeden Fall der schimpf¬
lichen Gefangenschaft entgehen. Am andern Morgen konnte man das furcht¬
bare Schlachtfeld übersehen.
160 000 Leichen sollen auf demselben gelegen haben. Die Goten fanden
ihren König Theoderich unter einem Haufen Leichen und bestatteten ihn.
Seinen Sohn Thorismuud hoben sie als neuen König auf den Schild. Dieser
zog alsbald in sein Reich, damit seine Verwandten ihm nicht die Herrschaft
streitig machen könnten. Auch die Sachsen, Franken und Burgunder wollten
den Kampf gegen Attila nicht mehr fortsetzen, so konnte dieser seinen Rück¬
zug über den,Rhein ungehindert antreten.
e) Attila'o Ausgang.
Im nächsten Frühjahr 452 sollte noch das nördliche Italien durch
seine wilden Scharen geschreckt und verwüstet werden. Nach Rom kam Attila
aber nicht. Astius war mit neuen Söldnerscharen herbeigeeilt und hatte
alle nach Mittelitalien führende Pässe besetzt. Die weiten Ebenen des östlichen
Europas und die Steppen Westasiens waren ein besserer Tummelplatz der
hunnischen Reiter als die Gebirgsstraßen des Apenninengebirges. Außerdem
sagte den rauhen Kriegern Attila's die Sonnenglut Italiens nicht zu, und
die Unmäßigkeit, der sie sich in dem fruchtbaren, reichen Lande Hingaben,
brachte. vielen den Tod. Damm verließ Attila Italien; seine Drohung, daß
er im nächsten Jahre wiederkommen würde, konnte er nicht mehr ausführen;
denn Gott hatte seiner Laufbahn schon im folgenden Jahre ein Ziel gesetzt.
453 raffte ihn ein plötzlicher Tod dahin. Nach seinem Tode zerfiel sein
Reich. Die unterworfenen germanischen Völker erkämpften sich wieder ihre
Unabhängigkeit.